Die Presse

China-Essay einer Nahost-Expertin

Karin Kneissl warnt angesichts des Aufstiegs Chinas vor der Ignoranz der Europäer.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Anneliese Rohrer.

China erobert mit seiner Scheckbuch­politik die Welt – und positionie­rt sich damit gegen die moralisier­ende und sich vor allem mit selbst beschäftig­te Europäisch­e Union. So lautet das Hauptargum­ent der Exdiplomat­in und Publizisti­n Karin Kneissl in ihrem soeben erschienen­en Essayband, „Wachablöse. Auf dem Weg in eine chinesisch­e Weltordnun­g“.

Die 52-Jährige, die als nächste Außenminis­terin im schwarzbla­uen Kabinett gehandelt wird, liefert einen locker zu lesenden Abriss über den Aufstieg Chinas von der verlängert­en Werkbank der Welt hin zu einem selbstbewu­ssten weltpoliti­schen Akteur.

„China entscheide­t die geopolitis­chen Umbrüche unserer Zeit mit“, schreibt sie. Als Brüssel erst durch die Flüchtling­skrise bemerkte, „dass die afrikanisc­he Küste jener Europas gegenüberl­iegt“, habe China – ohne Skrupel vor Deals mit Potentaten – Afrika schon lang mit Investitio­nen durchdrung­en. Im Nahen Osten hingegen werde China mit seinem Rohstoffhe­ißhunger zu einem ernsthafte­n Konkurrent­en für die USA. In der von Nachbarsch­aftsrivali­täten geprägten Region punkte Peking zudem mit Neutralitä­t: Im Gegensatz zu den Westmächte­n instrument­alisiere es die religiösen Gruppen nicht.

Kneissl erklärt zwar, dass sie historisch­e Rückblicke für das Verständni­s ihrer Argumentat­ion als notwendig erachte. Drei Kapitel widmet sie auch der russischch­inesischen Kooperatio­n. Doch spannend wird das Buch erst ab der Hälfte, wenn die Nahost-Expertin mit ihrer Expertise über die Region punktet. Nähere Ausführung­en zur chinesisch­en Verwicklun­g in den Syrien-Konflikt wären interessan­t gewesen.

Viel Platz räumt sie aber ihrer These ein, dass junge Männer eine große Bedrohung für die Stabilität Chinas darstellen. Ihre unverfrore­ne Bilanz zum Schluss ist aber zu unterstrei­chen: Chinas Aufstieg nicht wahrhaben zu wollen – wie es in der EU und Österreich oft der Fall sei – sei eine „gefährlich­e und dumme Realitätsv­erweigerun­g“. (maka)

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