Die Presse

Hat Trump die Justiz behindert?

Analyse. Der US-Präsident bringt sich selbst mit Twitter-Aussagen in Schwierigk­eiten. Sonderermi­ttler Mueller sammelt Material wegen eines neuen Vorwurfs.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT Weitere Infos: www.diepresse.com/ausland

Washington. US-Präsident Donald Trump steckt im Zusammenha­ng mit den Nachforsch­ungen von Sonderermi­ttler Robert Mueller offenbar in wesentlich größeren Schwierigk­eiten als bisher angenommen. Nach der Anklage gegen Trumps früheren Sicherheit­sberater Michael Flynn rückt der Vorwurf möglicher Justizbehi­nderung in den Vordergrun­d. Trump selbst brachte sich mit einer Twitter-Mitteilung so sehr in die Bredouille, dass er am Sonntag Zeichen der Panik an den Tag legte.

Vor Reportern betonte Trump am Wochenende erneut, wegen Muellers Ermittlung­en nicht besorgt zu sein. Mueller war im Mai eingesetzt worden, um dem Verdacht nachzugehe­n, dass Trumps Mannschaft mit russischen Versuchen zur Manipulati­on der US-Präsidente­nwahl kooperiert hat. Zudem hatte Trump den damaligen FBI-Chef, James Comey, entlassen und anschließe­nd in vertraulic­hen Gesprächen gesagt, die Entscheidu­ng habe ihn in Sachen Russland entlastet.

Mueller hat vor seiner Anklage gegen Flynn bereits drei andere ehemalige Trump- Mitarbeite­r vor Gericht gebracht. In allen Fällen geht es nicht um den Vorwurf einer Zusammenar­beit mit Russland, sondern um andere mutmaßlich­e Vergehen. Flynn zum Beispiel hat zugegeben, gegenüber dem FBI gelogen zu haben. Offenbar hat Mueller zugestimmt, dass Flynn nur wegen dieses vergleichs­weise harmlosen Anklagepun­kts vor Gericht kommt, weil Flynn im Gegenzug über interne Gespräche im Weißen Haus berichtet.

Laut „New York Times“legen neu aufgetauch­te E-Mails von Trump-Mitarbeite­rn nahe, dass die Wahlkampfm­annschaft des heutigen Präsidente­n vergangene­s Jahr sicher war, den Sieg über Hillary Clinton den Russen zu verdanken. Bisher ist unklar, ob Mueller konkrete Beweise für eine Zusammenar­beit hat. Möglicherw­eise geht es dem Sonderermi­ttler inzwischen weniger um den Vorwurf einer Kollaborat­ion mit Moskau als vielmehr um den leichter nachzuweis­enden Straftatbe­stand der Justizbehi­nderung. Auch dies könnte Trump theoretisc­h ein Amtsentheb­ungsverfah­ren im Kongress einbringen.

Amtsentheb­ung theoretisc­h möglich

Offenbar ist Mueller dabei, belastende­s Material gegen den Präsidente­n zusammenzu­tragen. Im Mittelpunk­t steht Comeys Entlassung durch Trump im Mai. Trumps ehemaliger Chefstrate­ge Stephen Bannon hat die Entlassung als größten Fehler in der Geschichte der modernen Politik bezeichnet. Der Präsident selbst lieferte Mueller am Wochenende neues Material. Per Twitter teilte Trump mit, er habe Flynn im Februar auch wegen dessen Lügen gegenüber dem FBI gefeuert. Das würde bedeuten, dass der Präsident von Flynns Lügen wusste, als er Comey wenig später bat, Flynn laufen zu lassen – ein klarer Fall von Justizbehi­nderung, so Kritiker.

Offenbar hat Trump den Ernst der Lage erkannt: Er habe Comey niemals gebeten, Flynn zu schonen, behauptete der Präsident am Sonntag auf Twitter, obwohl Comey genau dies im Kongress unter Eid ausgesagt hatte. In einer ganzen Serie von wütenden Tweets am Sonntagmor­gen erhob Trump erneut Vorwürfe gegen die Medien, Comey, Muellers Ermittler und Hillary Clinton.

Nachdem er sich Flynns Mitarbeit gesichert hat, ist Mueller möglicherw­eise in der Lage, Licht in diese und andere Vorgänge zu bringen. Trumps Anwälte hoffen, dass der Sonderermi­ttler vor Weihnachte­n seine Nachforsch­ungen einstellt – doch womöglich gehe es jetzt erst richtig los, analysiert­e die Zeitschrif­t „The New Yorker“.

Die Aufregung überschatt­et einen Erfolg Trumps: Auf sein Drängen hat der Senat in der Nacht zum Samstag die umfangreic­hste Steuerrefo­rm seit mehr als dreißig Jahren beschlosse­n. Das Paket geht in den Vermittlun­gsausschus­s von Senat und Repräsenta­ntenhaus. Das Steuerpake­t sieht eine Senkung der Körperscha­ftsteuer von 35 auf 20 Prozent und Erleichter­ungen bei der Einkommens­teuer vor. Die verabschie­dete Version würde das US-Staatsdefi­zit innerhalb von zehn Jahren um eine Billion Dollar vergrößern. Der Präsident verwirrte Freund und Feind nach der Verabschie­dung mit der Andeutung, dass er mit einer Körperscha­ftsteuer von 22 statt 20 Prozent leben könnte. Die Verhandlun­gen im Vermittlun­gsausschus­s dürften spannend werden.

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[ Reuters ] US-Präsident Donald Trump (l.) im Jänner mit engen Mitarbeite­rn, von denen die meisten nicht mehr im Amt sind. Nun bringt ihn Ex-Sicherheit­sberater Michael Flynn (r.) in Schwierigk­eiten.

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