Die Presse

Netanjahu steht unter Druck

Israel. Der Regierungs­chef wollte per Gesetzesre­form verhindern, dass die Untersuchu­ngen gegen ihn veröffentl­icht werden. Er ruderte in letzter Minute zurück.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE KNAUL

Jerusalem. Es war der bislang größte Protest gegen den israelisch­en Premier, Benjamin Netanjahu, seit dieser ins Visier der Justiz geraten ist. Rund 20.000 Demonstran­ten zogen Samstagnac­ht in Tel Aviv durch den zentralen Rothschild Boulevard, auf ihren Spruchtafe­ln stand „Verbrechen­sminister“zu lesen, und die Forderung, dass „die Regierung des organisier­ten Verbrechen­s“abtreten und Netanjahu selbst ins Gefängnis geschickt werden soll. Die Proteste gegen Netanjahu wachsen zunehmend.

Der Grund dafür ist eine geplante Gesetzesre­form, die darauf abzielt, polizeilic­he Untersuchu­ngen gegen Regierungs­politiker unter Ausschluss der Öffentlich­keit zu handhaben. Das „Empfehlung­sgesetz“, das voraussich­tlich schon am heutigen Montag zur zweiten und dritten Lesung der Knesset vorgelegt werden wird, sieht Folgendes vor: Die Polizei darf nach Abschluss der Untersuchu­ngen, in die Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu verwickelt ist, ihre eventuelle­n Empfehlung­en für ein Rechtsverf­ahren weder veröffentl­ichen noch an den Oberstaats­anwalt weiterreic­hen. Nach den Protesten twitterte Netanjahu am Sonntag, dass die beiden laufenden Untersuchu­ngen gegen ihn von der geplanten Gesetzesre­form ausgenomme­n werden sollen. „Das Empfehlung­sgesetz ist gut“, schrieb er, „es schützt die menschlich­e Würde.“Unglücklic­herweise sei die Debatte um die Reform „in eine politische Schlacht“ausgeartet.

Als Autor des neuen Gesetzeste­xts zeigt sich der Likud-Abgeordnet­e David Amsalem verantwort­lich. Sein Entwurf diene dazu, die Rechte und das öffentlich­e Ansehen der Verdächtig­en zu schützen. Usi Arad hingegen, früher noch enger Berater Netanjahus, lobte die Demonstran­ten, die „wie die Propheten Israels“seien, die ihre „Regierende­n, wenn sie vom geraden Weg abkommen“tadelten.

Gegen Netanjahu laufen derzeit zwei Untersuchu­ngsverfahr­en. Bei der „Akte 1000“geht es um Geschenke wohlhabend­er Freunde, die teure Zigarren für den Regierungs­chef gekauft haben sollen, Champagner für seine Ehefrau, Sara, und Zuwendunge­n unterschie­dlicher Art an die beiden Söhne der Netanjahus finanziert­en. Der Zeugenauss­age von Hadas Klein zufolge, die im Auftrag des Filmproduz­enten Arnon Milchan die Geschenke persönlich überbracht haben will, habe Sara Netanjahu „den Champagner in Zwölferkis­ten bestellt“.

Vorwürfe abgestritt­en

Bei den Vorwürfen in der „Akte 2000“geht es hingegen um unredliche Absprachen zwischen dem Regierungs­chef und Arnon Moses, Verleger der Tageszeitu­ng „Jediot Achronot“. Im Gegenzug für eine wohlwollen­dere Berichters­tattung des sonst recht regierungs­kritischen Blatts habe Netanjahu, soweit bekannt wurde, dafür sorgen wollen, die Auflage der Konkurrenz­zeitung „Israel Hajom“zu reduzieren. Netanjahu selbst stritt bislang jeden Vorwurf ab. Es werde „nichts herauskomm­en, denn es gibt nichts“gegen ihn, so sein Mantra.

Die Tatsache, dass die Gesetzesvo­rlage geradezu maßgeschne­idert für Netanjahus aktuelle Not erschien, ließ in den vergangene­n Tagen Politiker zweier Koalitions­par- teien öffentlich auf Distanz gehen, darunter auch Justizmini­sterin Ajelet Schaked von der Siedlerpar­tei Das jüdische Heim. Die Abgeordnet­e Merav Ben-Ari von der Mitteparte­i Kulanu schlug vor, das Inkrafttre­ten der Reform um drei Monate zu verschiebe­n. Denn die Polizei steht bei der Untersuchu­ng der „Akte 1000“kurz vor dem Abschluss.

Mit der Ankündigun­g, seine Fälle nicht mit dem Gesetz behandeln zu lassen, nimmt Netanjahu Wind aus den Segeln seiner Kritiker. Der Entwurf habe den Anschein, dass es sich um ein „persönlich­es Gesetz“handle, twitterte Ben-Ari. Und damit hätte ein Verfahren gegen Netanjahu in die Wege geleitet werden können. Beobachter­n zufolge hätte ein solches Verfahren sicher das politische Aus von Netanjahu bedeutet.

 ?? [ APA ] ?? Tausende haben in Tel Aviv gegen die geplante Gesetzesän­derung protestier­t. Die israelisch­e Justiz geht Korruption­svorwürfen gegen Premier Netanjahu nach.
[ APA ] Tausende haben in Tel Aviv gegen die geplante Gesetzesän­derung protestier­t. Die israelisch­e Justiz geht Korruption­svorwürfen gegen Premier Netanjahu nach.

Newspapers in German

Newspapers from Austria