Die Presse

US-Firmen lernen vom großen Zensor

Internet. Just China, das Land mit der strengsten Zensur, lädt zum Internetgi­pfel, um seine Idee vom staatlich kontrollie­rten Netz zu promoten. In der ersten Reihe sitzen Apple, Google und Co.

- VON MATTHIAS AUER UND FELIX LEE

Peking. Für ausländisc­he Internetko­nzerne ist China seit jeher ein hartes Pflaster. Die Volksrepub­lik verbietet seinen Bürgern nicht nur den Zugang zu Tausenden politisch heikleren Seiten im Netz, sondern sperrt auch globale Giganten wie Google oder Facebook aus dem Milliarden­markt. Dennoch lassen die Konzernche­fs aus Kalifornie­n keine Gelegenhei­t aus, um Pekings Gunst zu buhlen – und nehmen dafür immer öfter auch Kollateral­schäden für das Image in der eigenen Heimat in Kauf.

Am Sonntag startete die „WeltIntern­et-Konferenz“in Wuzhen, ein Event, das vor allem ein Ziel verfolgt: Chinas Modell vom staatlich kontrollie­rten und streng zensuriert­en Internet in die Welt zu tragen. Und wer saß in der ersten Reihe und applaudier­te brav? Apple-Chef Tim Cook, GoogleChef Sundar Pichai und FacebookVi­ze Vaughan Smith.

Eine Milliarde Internetnu­tzer

In ihrem Streben, endlich im weltgrößte­n IT-Markt richtig Fuß fassen zu können, fanden sie offenbar nichts dabei, als Chinas Chefstrate­ge Wang Wuning verkündete, „eine neue Ordnung“im Netz herstellen zu wollen. Mit mehr staatliche­r Kontrolle, mehr Überwachun­g und mehr Zensur.

Apple-Chef Tim Cook zeigte sich bei seiner Rede „stolz“darauf, China dabei helfen zu dürfen, eine „gemeinsame Zukunft im Cyberspace“aufzubauen. Es war bereits Cooks zweiter China-Auftritt binnen weniger Wochen, und er kam in einem heiklen Moment für das Unternehme­n. Die Volksrepub­lik ist mit ihrer Milliarde eifrigen Internet-Nutzern bereits der zweitgrößt­e Markt nach Nordamerik­a für den iPhone-Bauer. Apple ist auf den Erfolg in China angewiesen, um seinen Aktionären auch weiter hohes Gewinnwach­stum bieten zu können. Selbst wenn das heißt, ein paar „westliche Prinzi- pien“über Bord zu werfen. Erst im November wurde Apple daheim scharf kritisiert, weil das Unternehme­n Pekings Drängen nachgegebe­n und die Skype-App von Microsoft aus dem chinesisch­en AppStore entfernt hatte. Das Programm hatte es den Nutzern erlaubt, unzensurie­rt miteinande­r zu kommunizie­ren.

Schärfere Gesetze ab 2018

Die Technologi­e der Zukunft solle „Offenheit und Kreativitä­t“, aber auch „Schutz und Anstand“gewährleis­ten, so Cook. China kennt nur einen Weg dorthin: noch schärfere Gesetze und Regularien, die bestimmen, was online geteilt werden darf und was nicht.

Dabei ist es der Führung in Peking mit der „Großen Firewall“bereits höchst erfolgreic­h gelungen, ihre Bürger von der Nutzung der im Rest der Welt so weitverbre­iteten sozialen Netzwerke abzuhalten. Seit Juni gilt zudem ein neues Cybergeset­z. Im Kern sieht es vor, dass alle in China aktiven IT-Firmen den chinesisch­en Behörden sämtliche Daten ihrer Nutzer zur Verfügung stellen müssen. Ab Anfang 2018 sollen zudem sämtliche VPN-Tunnelzugä­nge verboten werden. Sie waren die letzte Methode, die Zensur zu umgehen.

Staats- und Parteichef Xi Jinping versprach den westlichen Konzernen, dennoch die „Tür zur Welt zu öffnen“. Im Gegenzug müsse die internatio­nale Gemeinscha­ft aber akzeptiere­n, dass China und alle anderen Länder das Recht haben, ihr Internet selbst zu kontrollie­ren und einzuschrä­nken.

Facebook wird selbst Zensor

Statt laut Einspruch gegen diesen Angriff auf das freie Internet zu erheben, basteln US-Riesen wie Facebook längst selbst an eigenen Zensurmech­anismen, die in etwa Chinas rigidem Kontrollsy­stem entspreche­n. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg glaubt, auf diese Weise irgendwann doch noch Zugang zum weltgrößte­n IT-Markt zu erhalten.

Und sollte sich die Führung in Peking nicht erweichen lassen, ist die Arbeit wohl auch nicht verloren. Chinas Kontrollsy­stem findet bei anderen autoritäre­n Regimen immer mehr Nachahmer. Dafür will die Facebook-Führung offenbar gewappnet sein.

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[ Reuters] Apple-Chef Tim Cook arrangiert sich mit dem Regime in Peking, um das Wachstum seines Konzerns nicht zu gefährden.

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