US-Märkte: Nur ein Thema interessiert
Börsen und Politik. Investoren blenden derzeit praktisch alles aus, solange Donald Trump bloß seine Steuerreform durchbringt. Was Kleinanleger nun im Windschatten der Euphorie beachten müssen.
New York. Da testet der „Rocket man“aus Nordkorea wieder eine Interkontinentalrakete und sieht sich nun in der Lage, auch Washington anzugreifen. Und die USBörsen? Schießen in die Höhe. Da steigt mit dem Platzen eines Treffens zwischen dem Präsidenten und den wichtigsten Oppositionspolitikern die Chance, dass die USA bald wieder am Rande der Zahlungsunfähigkeit taumeln. Und die Investoren? Sorgen sich nicht und kaufen wie verrückt US-Aktien.
Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass sich am wichtigsten Aktienmarkt der Welt alles um die geplante Steuerreform dreht, dann hat die vergangene Woche alle Zweifel ausgeräumt. Solange Donald Trump die Abgabenreform noch vor Weihnachten unterschreibt, ist alles gut, zumindest an den Börsen. Da kann Kim Jong-un noch so viele Raketen testen, und da kann sich der Präsident mit den Demokraten Nancy Pelosi und Chuck Schumer noch so sehr um das künftige Budget streiten.
Noch ist nichts fix
Was heißt das nun für die letzten Wochen des Jahres? Soll der europäische Kleinanleger seine US-Papiere verkaufen? Oder zukaufen? Und was wird mit den Kursen von US-Staatsanleihen und dem Dollarkurs passieren?
Zunächst: Auch wenn die Reform nach dem „Yes“im Senat zum größten Teil eingepreist ist, ganz durch ist sie nicht. Weil Repräsentantenhaus und Senat unterschiedliche Gesetzesentwürfe absegneten, müssen sich Vertreter noch auf einen gemeinsamen Nenner einigen. „Reconciliation“nennt das der Amerikaner. Erst wenn ein gemeinsamer Entwurf am Schreibtisch des Präsidenten landet, kann ihn dieser unterschreiben. In der Regel ist das Formsache, doch gibt es Stolpersteine, weil die zwei Vorlagen in einigen Details unterschiedlich sind.
Scheitert die Steuerreform in letzter Minute, droht an den Aktienmärkten ein Fiasko. Wer daran glaubt, sollte Put-Optionen kaufen und auf fallende Kurse wetten. Wahrscheinlicher ist, dass Trump sein erstes großes Gesetz absegnen wird, und dann spricht nichts gegen eine weitere Rallye bis Jahresende. Profitieren dürften Bankaktien, Einzelhändler wie etwa der an dieser Stelle mehrmals erwähnte Kleidungsverkäufer GAP und relativ kleine US-Firmen, die bislang am Heimatmarkt die volle Unternehmenssteuer berappen mussten.
Wohlgemerkt: GAP hat alleine vergangene Woche mehr als fünf Prozent gewonnen, genauso wie die Großbanken JP Morgan und Bank of America. Da gibt es Potenzial nach unten, sollte mit Trumps Prestigeprojekt doch noch etwas schiefgehen. Deshalb sollten Investoren die Lage genau beobachten oder Stop-Loss-Limits setzen. Wer auf kleine US-Firmen setzen will, kann das mit einem Indexfonds auf den Russell 2000 Index tun. Auch hier wären Kursverluste im Fall eines Scheiterns der Steuerreform vorprogrammiert, doch wären sie wegen der breiten Streuung möglicherweise überschaubarer.
Wenige Gewinnchancen versprechen US-Staatsanleihen. Zehnjährige Papiere gaben vergangene Woche deutlich nach – eine Entwicklung, die viele Analysten seit Monaten prophezeien und die sich nun weiter fortsetzen könnte. Die Steuerreform kostet 1,4 Billionen Dollar über zehn Jahre, laut dem Steuerkomitee des Kongresses spült das zu erwartende höhere Wirtschaftswachstum nur ein Drittel davon in die Staatskassen. Die USA müssen also Anleihen emittieren, vermutlich zu höheren Zinsen, um die Abgabenreform zu finanzieren. Das lässt die Rendite bereits emittierter Treasuries steigen, die Kurse fallen.
Dollar dürfte steigen
Die gleiche Wirkung dürften die anstehenden Zinserhöhungen der Fed haben. Erhöht die Zentralbank tatsächlich, wie vom designierten Chef Jerome Powell angekündigt, die Zinsen heuer noch einmal und 2018 dreimal, dann werden bereits ausgegebene US-Staatspapiere wegen des fixen Zinssatzes weniger attraktiv. Der Dollar wiederum könnte steigen. Wer also jetzt US-Aktien kauft, könnte eventuell auch noch einen Wechselkursgewinn einstreifen. Vorausgesetzt, dass die Großinvestoren den nordkoreanischen „Rocket man“und andere Risiken auch weiterhin ignorieren.