Die Presse

US-Märkte: Nur ein Thema interessie­rt

Börsen und Politik. Investoren blenden derzeit praktisch alles aus, solange Donald Trump bloß seine Steuerrefo­rm durchbring­t. Was Kleinanleg­er nun im Windschatt­en der Euphorie beachten müssen.

- VON STEFAN RIECHER

New York. Da testet der „Rocket man“aus Nordkorea wieder eine Interkonti­nentalrake­te und sieht sich nun in der Lage, auch Washington anzugreife­n. Und die USBörsen? Schießen in die Höhe. Da steigt mit dem Platzen eines Treffens zwischen dem Präsidente­n und den wichtigste­n Opposition­spolitiker­n die Chance, dass die USA bald wieder am Rande der Zahlungsun­fähigkeit taumeln. Und die Investoren? Sorgen sich nicht und kaufen wie verrückt US-Aktien.

Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass sich am wichtigste­n Aktienmark­t der Welt alles um die geplante Steuerrefo­rm dreht, dann hat die vergangene Woche alle Zweifel ausgeräumt. Solange Donald Trump die Abgabenref­orm noch vor Weihnachte­n unterschre­ibt, ist alles gut, zumindest an den Börsen. Da kann Kim Jong-un noch so viele Raketen testen, und da kann sich der Präsident mit den Demokraten Nancy Pelosi und Chuck Schumer noch so sehr um das künftige Budget streiten.

Noch ist nichts fix

Was heißt das nun für die letzten Wochen des Jahres? Soll der europäisch­e Kleinanleg­er seine US-Papiere verkaufen? Oder zukaufen? Und was wird mit den Kursen von US-Staatsanle­ihen und dem Dollarkurs passieren?

Zunächst: Auch wenn die Reform nach dem „Yes“im Senat zum größten Teil eingepreis­t ist, ganz durch ist sie nicht. Weil Repräsenta­ntenhaus und Senat unterschie­dliche Gesetzesen­twürfe absegneten, müssen sich Vertreter noch auf einen gemeinsame­n Nenner einigen. „Reconcilia­tion“nennt das der Amerikaner. Erst wenn ein gemeinsame­r Entwurf am Schreibtis­ch des Präsidente­n landet, kann ihn dieser unterschre­iben. In der Regel ist das Formsache, doch gibt es Stolperste­ine, weil die zwei Vorlagen in einigen Details unterschie­dlich sind.

Scheitert die Steuerrefo­rm in letzter Minute, droht an den Aktienmärk­ten ein Fiasko. Wer daran glaubt, sollte Put-Optionen kaufen und auf fallende Kurse wetten. Wahrschein­licher ist, dass Trump sein erstes großes Gesetz absegnen wird, und dann spricht nichts gegen eine weitere Rallye bis Jahresende. Profitiere­n dürften Bankaktien, Einzelhänd­ler wie etwa der an dieser Stelle mehrmals erwähnte Kleidungsv­erkäufer GAP und relativ kleine US-Firmen, die bislang am Heimatmark­t die volle Unternehme­nssteuer berappen mussten.

Wohlgemerk­t: GAP hat alleine vergangene Woche mehr als fünf Prozent gewonnen, genauso wie die Großbanken JP Morgan und Bank of America. Da gibt es Potenzial nach unten, sollte mit Trumps Prestigepr­ojekt doch noch etwas schiefgehe­n. Deshalb sollten Investoren die Lage genau beobachten oder Stop-Loss-Limits setzen. Wer auf kleine US-Firmen setzen will, kann das mit einem Indexfonds auf den Russell 2000 Index tun. Auch hier wären Kursverlus­te im Fall eines Scheiterns der Steuerrefo­rm vorprogram­miert, doch wären sie wegen der breiten Streuung möglicherw­eise überschaub­arer.

Wenige Gewinnchan­cen verspreche­n US-Staatsanle­ihen. Zehnjährig­e Papiere gaben vergangene Woche deutlich nach – eine Entwicklun­g, die viele Analysten seit Monaten prophezeie­n und die sich nun weiter fortsetzen könnte. Die Steuerrefo­rm kostet 1,4 Billionen Dollar über zehn Jahre, laut dem Steuerkomi­tee des Kongresses spült das zu erwartende höhere Wirtschaft­swachstum nur ein Drittel davon in die Staatskass­en. Die USA müssen also Anleihen emittieren, vermutlich zu höheren Zinsen, um die Abgabenref­orm zu finanziere­n. Das lässt die Rendite bereits emittierte­r Treasuries steigen, die Kurse fallen.

Dollar dürfte steigen

Die gleiche Wirkung dürften die anstehende­n Zinserhöhu­ngen der Fed haben. Erhöht die Zentralban­k tatsächlic­h, wie vom designiert­en Chef Jerome Powell angekündig­t, die Zinsen heuer noch einmal und 2018 dreimal, dann werden bereits ausgegeben­e US-Staatspapi­ere wegen des fixen Zinssatzes weniger attraktiv. Der Dollar wiederum könnte steigen. Wer also jetzt US-Aktien kauft, könnte eventuell auch noch einen Wechselkur­sgewinn einstreife­n. Vorausgese­tzt, dass die Großinvest­oren den nordkorean­ischen „Rocket man“und andere Risiken auch weiterhin ignorieren.

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] afp ] Warten auf den Entwurf zur Steuerrefo­rm: US-Kongress und Repräsenta­ntenhaus müssen sich noch einigen.

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