„Geld ist ein Mittel der Erpressung“
Interview. Barbara Klein ist Leiterin des KosmosTheaters. Sie spricht über die Ängste von Männerrechtlern, die unterschiedliche Bewertung von Frauen- und Männerarbeit und die Ambivalenz des Geldes, das Freiheit und Druck bedeutet.
Die Presse: Das KosmosTheater hat eine explizit feministische Ausrichtung. Derzeit ist das Thema durch die MeToo-Debatte wieder in aller Munde. Wie reagieren Sie darauf? Barbara Klein: Sexismus ist generell unser Thema. Es würde schon mit merkwürdigen Dingen zugehen, wenn Frau und/oder Mann, die hier im Publikum sind, nicht etwas finden würden, was in irgendeiner Form damit zu tun hat. Denn es geht ja nicht um Sex, es geht um Machtverhältnisse. Die Debatte wird teilweise aggressiv geführt. War der Feminismus schon einmal akzeptierter? Wir Feministinnen, die sich beruflich, aber auch privat damit befassen, wissen das schon die ganze Zeit: Diese ganze Männerrechtsbewegung, die verschiedensten Gruppierungen, die im Kreis sitzen und sich bemitleiden, wie arm die Männer sind. Sie müssen jetzt auf den einen oder anderen Posten verzichten, weil qualifizierte Frauen nachkommen.
Unser Thema ist Geld. Hat das für Frauen eine andere Bedeutung als für Männer? Der Druck ist größer, weil sie weniger verdienen. Der Wert ihrer Arbeit ist ein anderer als der der Männer. Das haben sie sich in den vergangenen 5000 Jahren gut eingerichtet – damals gab es noch kein Geld, aber die Bewertung der Arbeit. Alles, was durch Muskelkraft oder sonst irgendwie verschieden war von Frauenarbeit, wurde besonders bewertet. Heute, da Maschinen die Schwerarbeit verrichten, ist das nur mehr lächerlich.
Ist das in linken Kreisen anders? Nein. Solange Männer von diesem Zustand profitieren, werden sie darauf beharren, dass es so bleibt, wie es ist. Da kann man alle möglichen Richtungen oder Strömungen verfolgen, es wird am MannFrau-Verhältnis nicht gerüttelt, weil diese Programme Männer geschrieben haben.
In Onlineforen heißt es oft, der Gender-Gap – dass Frauen weniger verdienen – ist ein Mythos: Frauen arbeiten ja freiwillig Teilzeit, und sie wählen auch die falschen Branchen, werden lieber Friseurin als Atomphysikerin. Auf dem Land müssen Frauen kilometerweit fahren, um einen oder sogar zwei prekäre Jobs aus- zuüben. Von wählen kann da nicht wirklich die Rede sein. Die Frage ist: Was ist erreichbar, was ist möglich? Und wer übernimmt die Kinder? Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Natürlich sagen die Männer: Solange ich mehr verdiene, kann ich nicht die Kinder nehmen, wer soll die Familie erhalten? Es gibt Konzepte, um das zu verändern, es gibt das bedingungslose Grundeinkommen, das auch Männern helfen würde, ihre Betreuungspflichten wahrzunehmen. Geld ist ein Mittel der Erpressung, weil es die Grundbedürfnisse, die jeder Mensch hat, benützt, um zu erzwingen, dass du Arbeiten verrichtest, die du vielleicht nicht verrichten möchtest.
Würde ein Grundeinkommen nicht erst recht zu einer Zweiteilung der Gesellschaft führen? Die Frauen bleiben wegen des Grundeinkommens dem Arbeitsmarkt fern, und die Männer verdienen dann dreimal so viel. Man müsste es ausprobieren, ich glaube, dass es mehr Freiheit verschaffen würde. Ich glaube auch, dass sich Männer überlegen, was sie alles verpassen, mit dieser entmenschten Arbeit, diesem Radl, in dem sie funktionieren. Viele Männer würden auch gern eine Auszeit nehmen. Wenn man merkt, es ist möglich, ich habe die Basis des Grundeinkommens, es geht nur um diesen Zuverdienst, dann könnte sich zum Beispiel ein Paar abwechseln. Der eine sagt, ich studiere noch weiter und du arbeitest mehr, und dann umgekehrt.
Wie ist es bei Ihnen? Gelingt es Ihnen, Frauen ein Gehalt zu zahlen, das angemessen ist? Ich denke ja.
Wie finanziert sich das KosmosTheater? Wir bekommen die ewig gleich bleibende Förderung von der Stadt und eine vom Bund und machen auch Events – „Älternabend“zum Beispiel, „Dancing ab 40“, wo wir ein bisschen mehr Einnahmen lukrieren. Wir vermieten auch. Das ist natürlich sehr aufwendig in einem Theater, das ein starkes Profil hat, das Gastspiele auch für die freie Szene anbietet. Diese Gruppen sind alle heimatlos. Sie werden zwar gefördert, aber kriegen kein Haus mehr, weil die verschiedenen Häuser so spezialisiert sind. Und jetzt haben wir die Spendenabsetzbarkeit bestätigt bekommen und hoffen, dass es Leute gibt, die initiativ werden und das KosmosTheater unterstützen. Gibt es auch Sponsoring? Dass etwa Banken ihre Logos in die Programmhefte drucken? Keine Bank macht das mehr. Auch verständlich. Auf der einen Seite laufen sie um Bankenhilfe, auf der anderen Seite sollen sie sponsern. Das kommt nicht gut.
Ist es für Frauen auch im Theaterbereich schwer, Familie und Beruf zu vereinbaren? Natürlich ist es sehr, sehr schwierig. Auch für mich. Ich habe auch eine Tochter, die wird jetzt 38. Ich konnte über Jahre die Stadt nicht verlassen. Ich war dann Alleinerzieherin, und als Schauspielerin ist man halt einmal dort, einmal da.
(*1954) leitet seit 2000 das KosmosTheater in Wien. Davor war sie Schauspielerin, Autorin und Regisseurin. 1993 ü\ernahm sie mit dem Ka\arettisten I Stangl die Geschäftsführung des Wiener Ka\aretts Niedermair und gründete den Theaterverlag Bunte Bühne. 1997 war sie Mitinitiatorin des Frauenvolks\egehrens. Mit 1. April 2018 wird Klein von Veronika Stein\öck als künstlerische Leiterin des KosmosTheaters a\gelöst. Betrifft das nicht auch Männer mit Familie? Da ist dann oft die Frau daheim und übernimmt das, während er sein Vorsprechen macht oder mal zwei Monate weg ist.
Wie haben Sie das theaterintern versucht zu lösen? Haben Sie Probenpläne angepasst? Bei uns intern ist das sehr einfach mit Gleitzeit und Zeiteinteilung. Und die Gruppen machen sich das untereinander aus. Da gibt es Sperrtermine, die werden angegeben – das können berufliche sein, das können private sein, und es wird weitgehend versucht, dem nachzukommen.
Verglichen mit der Zeit, als Sie beruflich am Anfang waren, hat sich das Umfeld für Frauen verbessert oder verschlechtert? Ich kann das schwer sagen, weil ich damals Schauspielerin war und natürlich sexistische Übergriffe erlebt habe sonder Zahl. Im Volkstheater war das normal. Aber dann war ich Kabarettistin, ich habe feministisches Kabarett gemacht. Da haben sich die Männer gehütet. Und dann war ich Regisseurin, dann hatte ich die Idee für den Frauenraum hier, und dann kam das Frauenvolksbegehren. Also ich war bekannt als Feministin, die erleben selten Übergriffe, nicht einmal verbale. Mir fällt daher der persönliche Vergleich schwer.
Und was die Teilhabe am Wirtschaftsleben betrifft? Im Vergleich zu dem, wie unglaublich gut qualifiziert Frauen sind, nein. Wenn wir einen Assistentinnenjob ausschreiben, bewerben sich hundertfünfzig Magistrae und Doktorinnen. Die gläserne Decke ist nach wie vor dick, und anscheinend gibt es den richtigen Glasbohrer nicht. Ich sage immer wieder: Es ist kein Frauenproblem, es ist ein Männerproblem. Die Männer müssen lernen zu teilen, sie müssen abgeben, sie müssen auf die Qualifikationen achten und nicht auf den besten Haberer, da muss eine Veränderung her.
Was sind Ihre Pläne für die Zeit nach dem Theater? Ich weiß es noch nicht. Ich schaue mir dann erst mal drei Tage lang genussvoll meinen leeren Kalender an, dann werde ich reisen und mehr bei meiner Enkeltochter sein, die in Berlin lebt.
Ist das dann Ihr Luxus? Das ist mein Luxus, das ist das Stückerl Freiheit, das Geld sicher gibt, wobei ich eben diese andere Seite, die erpresserische Seite sehr wahrnehme und auch versuche, diesbezüglich etwas zu tun. Meine politische Arbeit wird sicher nicht aufhören.