Die Presse

Staatsanwa­lt besorgt: Sind Flüchtling­e „entlaust“?

Disziplina­rverfahren. Freispruch durch OGH, weil fragwürdig­e Aussage nur in Zwei-Personen-Gespräch fiel.

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Wien. Amtsdirekt­or R., stellvertr­etender Leiter der Geschäftss­telle eines Landesgeri­chts, konnte zunächst nicht glauben, was er da am Telefon hörte. Das sei wohl ein Scherz, meinte er zum Anrufer, einem Staatsanwa­lt. Doch dieser insistiert­e: Was er gesagt habe, sei sein Ernst. Die Äußerung konnte, vorsichtig ausgedrück­t, als fremdenfei­ndlich verstanden werden und hat dem Staatsanwa­lt eine disziplinä­re Verurteilu­ng eingetrage­n, die am Ende aber vom Obersten Gerichtsho­f (OGH) aufgehoben worden ist.

Zwei Staatsanwä­ltinnen hatten im Sozialraum des Gerichts Deutschkur­se für Flüchtling­e abgehalten. Der Staatsanwa­lt verge- wisserte sich beim Amtsdirekt­or, dass die Teilnehmer die Sicherheit­skontrolle­n passierten und sich nicht unbeaufsic­htigt im Gericht bewegen konnten. Und dann sagte er: Er werde die Flüchtling­e im Auge behalten, weil man nicht wissen könne, ob sie „geimpft und entlaust“seien. Und dies eben nicht im Scherz, sondern im Ernst.

Zwangsarbe­iter-Assoziatio­n

Offenbar vom Amtsdirekt­or angezeigt, wurde der Staatsanwa­lt vom Oberlandes­gericht Linz eines Dienstverg­ehens schuldig gesprochen: Er habe es verabsäumt, sich im und außer Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspfle­ge sowie das Ansehen seines Berufsstan­ds nicht gefährdet werden. Laut OLG hat der Beschuldig­te vorsätzlic­h Flüchtling­e pauschal als unsauber, unhygienis­ch und mit ansteckend­en Krankheite­n behaftet bezeichnet und Assoziatio­nen mit dem Umgang mit Zwangsarbe­itern in den 1930er- und 1940er-Jahren erweckt.

Der Verurteilt­e bekämpfte diese Deutung. Er betonte, er habe bloß seine Besorgnis über den Hygieneund Gesundheit­szustand der Flüchtling­e ausdrücken wollen, die sich im Sozialraum aufhalten sollten. Der OGH ließ die Frage nach dem wirklich Gemeinten auf sich beruhen. Seiner Ansicht nach ist die Äußerung keinesfall­s disziplinä­r zu ahnden (2 Ds 4/17m). Aus zwei Gründen: zum einen, weil sie nur in einem Zwei-Personen-Gespräch gefallen war, ohne die Absicht, dass sie nach außen dringt. Zum ande- ren wäre sie als eine gegebenenf­alls zu bejahende einmalige Pflichtver­letzung nach ihrer Art und Schwere kein Dienstverg­ehen – auch deshalb, weil keine erschweren­den Umstände vorlägen. (kom)

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