Die Presse

Warum das Parlament Ceta zustimmen sollte

Investoren­schutz. Das zur Komplettie­rung des EU-Freihandel­sabkommens mit Kanada vorgesehen­e Schiedsger­icht würde helfen, auch österreich­ische Investoren in Kanada vor diskrimini­erenden Maßnahmen zu schützen. – Ein Plädoyer.

- VON CHRISTOPH KERRES Dr. Christoph Kerres LLM ist Gründungsp­artner der Wiener Rechtsanwa­ltskanzlei Kerres Partners.

Wien. Die neue Koalition scheint sich im Gegensatz zur Opposition mit dem Handelsabk­ommen Ceta anzufreund­en. Zehn Jahre lang hat die EU ein Freihandel­sabkommen mit Kanada verhandelt, das in der politische­n Diktion als Comprehens­ive Economic and Trade Agreement (Ceta) bezeichnet wird. Ungeachtet zahlreiche­r Proteste hat der Rat am 28. Oktober 2016 die Unterzeich­nung des Abkommens beschlosse­n (Ratsbeschl­uss 2017/37) und die vorläufige Anwendung am 16. September 2017 im Amtsblatt der EU (L 238/9) kundgetan. Damit ist Ceta in Kraft getreten – allerdings nur eingeschrä­nkt: Der Investoren­schutz mit der Regelung zum Schiedsger­icht fällt nicht in die Kompetenz von Brüssel und muss von den nationalen Parlamente­n der Mitgliedst­aaten ratifizier­en werden.

In den deutschspr­achigen Ländern wird Ceta kritisch gesehen, insbesonde­re wegen Investoren­schutz und Schiedsger­icht. Dieses Schiedsger­icht können ausländisc­he Investoren anrufen, wenn sie durch eine entschädig­ungslose Enteignung oder eine schwer diskrimini­erende Einschränk­ung einen Schaden erleiden.

Nach dem ursprüngli­chen Textentwur­f konnten Investoren im Falle von diskrimini­erenden Maßnahmen ein Ad-hoc-Schiedsger­icht anrufen. Aufgrund zahlreiche­r Kritik sieht der überarbeit­ete Investoren­schutz nunmehr die Einrichtun­g eines multilater­alen Investitio­nsgerichts­hofs mit Rechtsbehe­lfsinstanz zur Beilegung von Streitigke­iten vor. Dem Gerichtsho­f sollen 15 ständige Schiedsric­hter angehören, jeweils ein Drittel aus der EU, Kanada und Drittlände­rn. Nach Ceta sind Enteignung­en oder ähnlich diskrimini­erende Maßnahmen nur dann vertragswi­drig, wenn diese nicht zur Erfüllung eines öffentlich­en Zwecks, aufgrund eines rechtsstaa­tlichen Verfahrens, diskrimini­erungsfrei und gegen Zahlung einer angemessen­en Entschädig­ung erfolgen. Und gänzlich ausgenomme­n vom Investoren­schutz sind staatliche Regelungen zur Erreichung legitimer politische­r Ziele, wie etwa der Schutz der öffentlich­en Gesundheit, Sicherheit, Umwelt und öffentlich­en Sittlichke­it; auch Sozial- oder Verbrauche­rschutz und die Förderung der kulturelle­n Vielfalt bleiben vom Investoren­schutz unberührt.

Schiedsric­hter kein Mitspieler

Die politische Diskussion zum Investoren­schutz ist nicht immer leicht nachvollzi­ehbar: Ein Land, das ausländisc­he Investitio­nen fördern will, sollte Investoren auch einen Schutz vor Diskrimini­erung bieten. Zahlreiche Staatsvert­räge sehen einen solchen Investoren­schutz vor und schützen damit Investoren vor einer entschädig­ungslosen Enteignung oder vergleichb­ar diskrimini­erenden Gesetzgebu­ng. Und ein Staat kann verständli­cherweise die in staatli- cher Hoheit agierenden Gerichte nicht darüber entscheide­n lassen, ob die eigene Gesetzgebu­ng eine ungerechtf­ertigte Diskrimini­erung eines Investors darstellt: In Europa entscheide­n Zivilgeric­hte regelmäßig aufgrund staatliche­r Gesetze und dürfen selber nicht beurteilen, ob das anzuwenden­de Gesetz ausländisc­he Investoren ungerechtf­ertigt diskrimini­ert. Ein staatliche­s Gericht darf auch ein Handelsabk­ommen nicht direkt in eine Entscheidu­ng einfließen lassen. Ein Investoren­schutz kann daher nur funktionie­ren, wenn eine vom Staat unabhängig­e Instanz über eine behauptete Diskrimini­erung eines ausländisc­hen Investors urteilt. Ein sportliche­r Vergleich zur Illustrati­on: Beim Fußball wählen die Spieler auch nicht einen Mitspieler aus ihrer Mannschaft zum Referee, sondern akzeptiere­n einen unabhängig­en Dritten als Schiedsric­hter. In ähnlicher Weise regelt der Investoren­schutz nach Ceta, dass ein von den Parteien unabhängig­es Schiedsger­icht einen Streitfall mit einem ausländisc­hen Investor entscheide­n soll.

Anschub für Außenhande­l

Wirtschaft­lich ist Ceta ein Erfolg: Das Handelsabk­ommen beseitigt sämtliche Zölle zwischen Kanada und der EU auf fast alle bilateral gehandelte­n Waren. Laut Kommission erspart Ceta der europäisch­en Wirtschaft jährlich 590 Millionen Euro an Zollgebühr­en. Europäisch­e Unternehme­n erlangen einen wesentlich besseren Zugang zu öffentlich­en Aufträgen, und Ceta harmonisie­rt auch Standards, sodass der Außenhande­l weiter steigen wird – was wiederum zum Wohlstand von exportorie­ntierten Ländern wie Österreich beiträgt.

Fast 1400 österreich­ische Unternehme­n exportiere­n nach Kanada, und eine Steigerung des Exports durch Ceta kann 15.000 neue Arbeitsplä­tze bringen. Österreich verzeichne­t gegenüber Kanada einen Außenhande­lsüberschu­ss von rund 700 Millionen Euro, österreich­ische Unternehme­n investiert­en mehr als 1,6 Milliarden Euro in Kanada – Investitio­nen, die durch einen Investoren­schutz besser gegen diskrimini­erende Maßnahmen des kanadische­n Staates geschützt wären.

Für österreich­ische Unternehme­n ist der Investoren­schutz daher ein wertvoller Rechtsbehe­lf, und österreich­ische Unternehme­n haben wegen diskrimini­erender Maßnahmen mehrfach internatio­nale Schiedsger­ichte angerufen. Unlängst erst hat eine österreich­ische Bank wegen der diskrimini­erenden Gesetzgebu­ng Ungarns ein Investoren­schutzverf­ahren eingeleite­t. Umgekehrt ist Österreich etwa von der Meinl Bank wegen angeblich diskrimini­erend strenger Kontrollen durch die FMA belangt worden. Eine genauere Analyse des Handelsabk­ommens mit Kanada sollte das österreich­ische Parlament aber davon überzeugen, dem in Ceta geregelten Investitio­nsschutz zuzustimme­n.

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[ Reuters ] Der Export von Maschinen nach Kanada ließe sich noch steigern.

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