Warum das Parlament Ceta zustimmen sollte
Investorenschutz. Das zur Komplettierung des EU-Freihandelsabkommens mit Kanada vorgesehene Schiedsgericht würde helfen, auch österreichische Investoren in Kanada vor diskriminierenden Maßnahmen zu schützen. – Ein Plädoyer.
Wien. Die neue Koalition scheint sich im Gegensatz zur Opposition mit dem Handelsabkommen Ceta anzufreunden. Zehn Jahre lang hat die EU ein Freihandelsabkommen mit Kanada verhandelt, das in der politischen Diktion als Comprehensive Economic and Trade Agreement (Ceta) bezeichnet wird. Ungeachtet zahlreicher Proteste hat der Rat am 28. Oktober 2016 die Unterzeichnung des Abkommens beschlossen (Ratsbeschluss 2017/37) und die vorläufige Anwendung am 16. September 2017 im Amtsblatt der EU (L 238/9) kundgetan. Damit ist Ceta in Kraft getreten – allerdings nur eingeschränkt: Der Investorenschutz mit der Regelung zum Schiedsgericht fällt nicht in die Kompetenz von Brüssel und muss von den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten ratifizieren werden.
In den deutschsprachigen Ländern wird Ceta kritisch gesehen, insbesondere wegen Investorenschutz und Schiedsgericht. Dieses Schiedsgericht können ausländische Investoren anrufen, wenn sie durch eine entschädigungslose Enteignung oder eine schwer diskriminierende Einschränkung einen Schaden erleiden.
Nach dem ursprünglichen Textentwurf konnten Investoren im Falle von diskriminierenden Maßnahmen ein Ad-hoc-Schiedsgericht anrufen. Aufgrund zahlreicher Kritik sieht der überarbeitete Investorenschutz nunmehr die Einrichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs mit Rechtsbehelfsinstanz zur Beilegung von Streitigkeiten vor. Dem Gerichtshof sollen 15 ständige Schiedsrichter angehören, jeweils ein Drittel aus der EU, Kanada und Drittländern. Nach Ceta sind Enteignungen oder ähnlich diskriminierende Maßnahmen nur dann vertragswidrig, wenn diese nicht zur Erfüllung eines öffentlichen Zwecks, aufgrund eines rechtsstaatlichen Verfahrens, diskriminierungsfrei und gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung erfolgen. Und gänzlich ausgenommen vom Investorenschutz sind staatliche Regelungen zur Erreichung legitimer politischer Ziele, wie etwa der Schutz der öffentlichen Gesundheit, Sicherheit, Umwelt und öffentlichen Sittlichkeit; auch Sozial- oder Verbraucherschutz und die Förderung der kulturellen Vielfalt bleiben vom Investorenschutz unberührt.
Schiedsrichter kein Mitspieler
Die politische Diskussion zum Investorenschutz ist nicht immer leicht nachvollziehbar: Ein Land, das ausländische Investitionen fördern will, sollte Investoren auch einen Schutz vor Diskriminierung bieten. Zahlreiche Staatsverträge sehen einen solchen Investorenschutz vor und schützen damit Investoren vor einer entschädigungslosen Enteignung oder vergleichbar diskriminierenden Gesetzgebung. Und ein Staat kann verständlicherweise die in staatli- cher Hoheit agierenden Gerichte nicht darüber entscheiden lassen, ob die eigene Gesetzgebung eine ungerechtfertigte Diskriminierung eines Investors darstellt: In Europa entscheiden Zivilgerichte regelmäßig aufgrund staatlicher Gesetze und dürfen selber nicht beurteilen, ob das anzuwendende Gesetz ausländische Investoren ungerechtfertigt diskriminiert. Ein staatliches Gericht darf auch ein Handelsabkommen nicht direkt in eine Entscheidung einfließen lassen. Ein Investorenschutz kann daher nur funktionieren, wenn eine vom Staat unabhängige Instanz über eine behauptete Diskriminierung eines ausländischen Investors urteilt. Ein sportlicher Vergleich zur Illustration: Beim Fußball wählen die Spieler auch nicht einen Mitspieler aus ihrer Mannschaft zum Referee, sondern akzeptieren einen unabhängigen Dritten als Schiedsrichter. In ähnlicher Weise regelt der Investorenschutz nach Ceta, dass ein von den Parteien unabhängiges Schiedsgericht einen Streitfall mit einem ausländischen Investor entscheiden soll.
Anschub für Außenhandel
Wirtschaftlich ist Ceta ein Erfolg: Das Handelsabkommen beseitigt sämtliche Zölle zwischen Kanada und der EU auf fast alle bilateral gehandelten Waren. Laut Kommission erspart Ceta der europäischen Wirtschaft jährlich 590 Millionen Euro an Zollgebühren. Europäische Unternehmen erlangen einen wesentlich besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen, und Ceta harmonisiert auch Standards, sodass der Außenhandel weiter steigen wird – was wiederum zum Wohlstand von exportorientierten Ländern wie Österreich beiträgt.
Fast 1400 österreichische Unternehmen exportieren nach Kanada, und eine Steigerung des Exports durch Ceta kann 15.000 neue Arbeitsplätze bringen. Österreich verzeichnet gegenüber Kanada einen Außenhandelsüberschuss von rund 700 Millionen Euro, österreichische Unternehmen investierten mehr als 1,6 Milliarden Euro in Kanada – Investitionen, die durch einen Investorenschutz besser gegen diskriminierende Maßnahmen des kanadischen Staates geschützt wären.
Für österreichische Unternehmen ist der Investorenschutz daher ein wertvoller Rechtsbehelf, und österreichische Unternehmen haben wegen diskriminierender Maßnahmen mehrfach internationale Schiedsgerichte angerufen. Unlängst erst hat eine österreichische Bank wegen der diskriminierenden Gesetzgebung Ungarns ein Investorenschutzverfahren eingeleitet. Umgekehrt ist Österreich etwa von der Meinl Bank wegen angeblich diskriminierend strenger Kontrollen durch die FMA belangt worden. Eine genauere Analyse des Handelsabkommens mit Kanada sollte das österreichische Parlament aber davon überzeugen, dem in Ceta geregelten Investitionsschutz zuzustimmen.