Tod in Schubhaft: Österreich schuldlos
Menschenrechte. Wegen unentdeckter Krankheit kein Verstoß gegen Recht auf Leben.
Wien/Straßburg. Zwölf Jahre nach dem Tod eines Schubhäftlings aus Gambia in Linz ist Österreich vom Vorwurf freigesprochen worden, den Afrikaner in seinen Menschenrechten verletzt zu haben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat entschieden, dass bei dem Todesfall nicht gegen das in der Menschenrechtskonvention garantierte Recht auf Leben eingegriffen worden war. Dieses umfasst auch gewisse Schutzpflichten des Staates.
Der Mann war im Frühjahr 2005 in Wien wegen Drogenhandels verurteilt worden. Während er eine siebenmonatige Haftstrafe verbüßte, suchte er um Asyl an. Sein Antrag wurde abgelehnt, der Mann aus dem Gefängnis ins Polizeianhaltezentrum Linz gebracht, um abgeschoben zu werden.
Dort trat er in Hungerstreik. Er wurde regelmäßig medizinisch begutachtet und nach einer Woche zur Kontrolle ins Spital gebracht. Er wehrte sich gegen die Untersuchung, trat nach einer Krankenschwester. Er hatte schon einige Kilo verloren und wirkte zeitweise geschwächt, wurde aber für weiter hafttauglich erklärt. Im Anhaltezentrum brachte man ihn in eine Sicherheitseinzelzelle, wo in regelmäßigen Abständen ein Polizist nach ihm sah. Bis der Mann, am siebenten Tag des Hungerstreiks, tot war.
Während die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen zum Tod des Gambiers einstellte, weil er auf eine Verkettung unglücklicher Umstände zurückzuführen gewesen sei, entschied der Unabhän- gige Verwaltungssenat Linz, dass die Schubhaft rechtswidrig gewesen sei. Weil der Verwaltungsgerichtshof keinen Fehler im Behördenhandeln sah und diese Entscheidung kippte, wandte sich der Bruder des Verstorbenen an den Straßburger Gerichtshof.
Auch der ortete keine Verletzung der Menschenrechte (Fall Ceesay, Nr 72126/14). Der Tod des Gambiers war nämlich auf seine zu Lebzeiten nicht erkannte Sichelzellenkrankheit zurückzuführen gewesen, die ihm durch den Hungerstreik zum Verhängnis wurde.
Erst in Kenntnis dieses Zusammenhangs wurden die Anhaltezentren angewiesen: Tritt jemand in Hungerstreik, der aus einer Region mit starker Verbreitung der Sichelzellenanämie (wie Subsahara-Afrika) kommt, muss sofort sein Blut darauf untersucht werden. (kom)