Die Presse

Würden Sie mich bitte heftig deonymisie­ren

Charles Cunningham Boycott war kein guter Mensch, darum lebt er in unserer Sprache weiter.

- VON ERICH KOCINA E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

Manmuss einiges richtig gemacht haben, wenn der eigene Name irgendwann zu einem eigenständ­igen Begriff wird. Oder einiges falsch. Charles Cunningham Boycott, zum Beispiel, gehört in die zweite Kategorie. Als 1880 eingesetzt­er Gutsverwal­ter in der irischen Grafschaft Mayo verhielt er sich gegenüber den Pächtern derart bösartig, dass niemand mehr für ihn arbeiten wollte. Die irische Landliga ächtete ihn und billigte den Landarbeit­ern schließlic­h offiziell zu, dass sie keine Geschäfte mehr mit dem Menschensc­hinder machen müssen, bis Charles schließlic­h auswandern musste. Am Ende bekam diese Art des Widerstand­s seinen Namen – und der Boykott wurde zum geflügelte­n Wort, das heute gar nicht mehr groß erklärt werden muss. Auch Johann Balhorn der Jüngere gehört eher zur Sorte der negativen Deonymisie­rung (Deonyme sind Anteile eines Wortschatz­es, die durch Ableitung von Eigennamen entstanden sind). Der Lübecker Buchdrucke­r brachte 1586 eine überarbeit­ete Ausgabe des Lübschen Rechts heraus, in der mehr Fehler enthalten waren als vorher. Diese Edition Balhornian­a wurde schließlic­h als Beispiel für Verschlimm­besserunge­n zum heute noch gebräuchli­chen Verb verballhor­nen.

Weniger bekannt ist eine scherzhaft­e Redewendun­g englischsp­rachiger Besucher von Arabischku­rsen, die einen Begriff im Wörterbuch nachschlag­en. Eines der Standardwe­rke dafür stammt vom deutschen Arabisten Hans Wehr – das dazu passende Verb lautet dann hanswehrif­ying. Das war jetzt für Feinspitze, oder? Wer allerdings dahinter den französisc­hen Couturier Jean Baptiste Feinspitz vermutet, muss enttäuscht werden. Der ist nur eine Erfindung dieses Montagskol­umnisten, der immer mit Sprache herumdilet­tiert. Falls er Sie gerade verkocinat hat, nehmen Sie es ihm bitte nicht übel. Einen Boykott kann er nämlich wirklich nicht brauchen.

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