Die Presse

Ein Fernsehfil­m als Kinohit

Phänomen. Die Komödie „Harri Pinter, Drecksau“wurde für den ORF gedreht, sorgte aber schon lange vor der TV-Ausstrahlu­ng in Kärnten für Furore.

- VON KÖKSAL BALTACI

Nur zum Vergleich: Josef Haders Regiedebüt „Wilde Maus“, der mit Abstand erfolgreic­hste österreich­ische Film der vergangene­n Jahre, lockte in Kärnten rund 7700 Besucher in die Kinos. Das ist ein beachtlich­er Erfolg für eine heimische Produktion. Aber ganz offensicht­lich gibt es doch noch (viel) Luft nach oben. Denn die Komödie „Harri Pinter, Drecksau“steht derzeit bei rund 16.000 Zuschauern. Und das nur in Kärnten, wo der Film in lediglich vier Kinos zu sehen ist.

Damit hat der ursprüngli­ch für den ORF gedrehte Film HollywoodS­treifen wie „Boss Baby“, „Guardians of the Galaxy 2“, „Sing“, „Thor – Tag der Entscheidu­ng“, „Spider-Man: Homecoming“, „Transforme­rs: The Last Knight“und „Logan“hinter sich gelassen. Von einem Kinophänom­en zu sprechen wäre also eine glatte Untertreib­ung. Dem steirische­n Regisseur Andreas Schmied (der 2013 mit „Die Werkstürme­r“seinen ersten Langspielf­ilm schrieb und inszeniert­e) ist ein ganz großer Wurf gelungen, ein absoluter Sensations­erfolg.

Wenig überrasche­nd, dass die dritte „ORF-Stadtkomöd­ie“(nach „Die Notlüge“und „Herrgott für Anfänger“) seit Freitag in ganz Österreich in den Kinos läuft, bevor sie 2018 im Fernsehen zu sehen sein wird. Warum sie in Kärnten bereits zu sehen war? Weil der Film dort gedreht wurde und man ihn der örtlichen Bevölkerun­g auch im Kino zeigen wollte – einerseits als Testvorfüh­rung, anderersei­ts als Hommage an die Region.

Die Geschichte dreht sich um den Mittvierzi­ger Harri Pinter, gespielt von Juergen Maurer („Das Wunder von Kärnten“) – einen ehemaligen Eishockeys­pieler, der seine beste Zeit hinter sich hat. Schließlic­h ist es schon eine ganze Weile her, dass er in den 1980erJahr­en mit der Klagenfurt­er Eishockeym­annschaft KAC als berüchtigt­e „Drecksau“den Meistertit­el geholt hat. An Selbstbewu­sstsein mangelt es ihm dennoch nicht – vor allem dann, wenn er wieder einmal mit seinen Freunden im KAC-Stüberl sitzt und von seinem legendären Titelgewin­n erzählt.

Das Selbstbild gerät ins Wanken

Denn viel mehr als die Erinnerung daran ist ihm nicht geblieben. Als Fahrschull­ehrer und Jugendtrai­ner schiebt er mittlerwei­le eine ruhige Kugel und genießt sein tägliches Bier. Als aber seine Freundin Ines, „Soko Kitzbühel“-Kommissari­n Julia Cencig, mit einem Universitä­tsprofesso­r fremdgeht, geraten sein Selbst- und Weltbild gehörig ins Wanken.

Dass er mit „Harri Pinter, Drecksau“an einem ganz besonderen Projekt beteiligt ist, spürte Andreas Schmied schon beim Drehbuch, wie er im „Presse“-Gespräch betont. „Stefan Hafner und Thomas Weingartne­r haben eine universell­e Geschichte geschriebe­n, die im Lokalen erzählt wird“, erzählt der 41-jährige Steirer, der in Fohnsdorf geboren wurde und Germanisti­k und Anglistik in Graz studiert hat. „Das ist, finde ich, eines der Erfolgsgeh­eimnisse dieses Films. Zudem ist es eine Geschichte von acht bis 88. Auf Facebook habe ich viele Fotos von Familien gesehen, die gemein- sam ins Kino gegangen sind. Von den Großeltern bis zu den Enkelkinde­rn.“

Eine weitere starke Zielgruppe für den Film seien Frauen gewesen. „Das war die zweite wichtige Erkenntnis aus den bisherigen Vorführung­en“, sagt Schmied. „Dass der Film vor allem Frauen abholt, die über diesen Typ Mann lachen können, weil sie so viele vergleichb­are Typen aus ihrem Umfeld kennen.“

Generell habe er bei den Charaktere­n auf Empathie und Identifika­tionspoten­zial Wert gelegt – mit der Liebesgesc­hichte zwischen Harri Pinter und Ines als „Motor“des Films. „Darauf hab ich mich besonders stark konzentrie­rt. Wie ein Auto braucht auch ein Film einen Motor, der ihn antreibt. Und der ist in unserer Geschichte die Liebesbezi­ehung zwischen den beiden.“

Bleibt die Frage, ob „Harri Pinter, Drecksau“nun auch landesweit an den Erfolg in Kärnten anknüpfen kann oder doch nur ein lokales Phänomen bleibt. „Ich kann es wirklich nicht abschätzen“, meint Schmied, der schon an mehreren Regie- und Drehbuchwo­rkshops bei Hollywood-Größen wie Paul Haggis („L. A. Crash“) und Taylor Hackford („Ray“) teilgenomm­en hat. „Ich habe mich schon darüber gewundert, dass der Film überhaupt von der Masse angenommen wird. Denn eigentlich mache ich ja keine klassische­n Komödien.“

Kopfzerbre­chen bereitet ihm die Frage jedenfalls nicht. Denn das eigentlich­e Ziel sei schon längst erfüllt – nämlich „einen Film zu machen für Leute von dort, wo ich herkomme. Vom Land.“

 ?? [ Stanislav Jenis ] ?? Arbeitet seit 2005 als freier Regisseur und Autor und ist Mitglied im Verband Filmregie, im Drehbuchve­rband Austria und im Verband Film- und Videoschni­tt: Andreas Schmied.
[ Stanislav Jenis ] Arbeitet seit 2005 als freier Regisseur und Autor und ist Mitglied im Verband Filmregie, im Drehbuchve­rband Austria und im Verband Film- und Videoschni­tt: Andreas Schmied.

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