Dem Großmeister auf der Spur
Wiens Musikverein pflegt heuer in kaum gekannter Intensität das Werk Bruckners. Die wahre Entdeckung der Musik Anton Bruckners steht uns erst bevor.
Verehrer Anton Bruckners haben Hochzeit. Im Wiener Musikverein, dessen Konzertsaison heuer bereits mit einer bemerkenswerten Aufführung der selten gespielten Ersten Symphonie unter der Leitung Christian Thielemanns begann, erklingen Werke des Meisters in kaum erlebter Ballung. Eben dirigierte Mariss Jansons die Achte, von vielen als größtes Heiligtum des symphonischen Repertoires betrachtet.
Demnächst stellt Riccardo Muti dem dreisätzigen Fragment der Neunten eine kaum je gehörte, leidenschaftliche Sturm-und-Dang-Symphonie Joseph Haydns (Nr. 39) gegenüber.
Symphoniker-Chefdirigent Philippe Jordan führt bis Ende Jänner die Symphonien sieben bis neun in chronologischer Reihenfolge auf, jeweils konfrontiert mit Werken aus jüngster Zeit. Zwischendrin setzt das Artis Quartett mit dem Kollegen Ettore Causa Bruckners Streichquintett in Beziehung zu Mozart und dem Zweiten Streichquartett Gottfried von Einems, in dem Klassizismus und Erinnerungen an romantische Klangwelten miteinander wetteifern.
Als ob es geplant wäre, wird die Saison auch mit der sonst so raren Ersten schließen: bei Christoph Eschenbach im Philharmonischen Ende Mai. Eine Woche später erinnert uns Sir Simon Rattle daran, dass die Neunte, wie wir sie im Konzert zu hören gewohnt sind, nicht die ganze Wahrheit darüber verrät, was der Komponist „dem lieben Gott gewidmet“wissen wollte: Mit den Berliner Philharmonikern präsentiert der scheidende Chefdirigent die von Nicola Samale und Benjamin G. Cohrs „vollendete“Spielfassung des Finalsatzes.
Außerdem stellt uns übers Jahr das Linzer Brucknerorchester unter Markus Poschner Erstfassungen vor, die zu Bruckners Zeiten nie erklangen. Und da wird offenbar werden, dass wir erst ganz am Anfang stehen. Bruckner-Entdeckungen stehen bevor . . .