Die Presse

Antike Fabel im Art-Deco-Geglitzer

Staatsoper. Den notorische­n Tenor-Mangel, an dem die Rezeption der „Daphne“lange litt, beheben Andreas Schager und Benjamin Bruns im Rahmen der Strauss-Tage vollständi­g.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Daphne“ist die inspiriert­este OpernParti­tur des späten Richard Strauss, voll herrlich funkelnder, mystisch raunender, ekstatisch aufgeputsc­hter Klänge, ein herrliches Liebesduet­t inmitten. All die musikalisc­hen Reichtümer blieben lange ungehoben, denn es bedarf zweier exzellente­r Tenöre, eines elegant-jugendlich­en Lyrikers und eines durch extreme Höhenlage nicht zu erschrecke­nden Helden. Davon konnten Dirigenten, Intendante­n und Publikum seit den späten Sechzigerj­ahren nur träumen.

Mit der Premiere der aktuellen Wiener Inszenieru­ng ging der Traum in Erfüllung: Da warben Johan Botha und Michael Schade um Ricarda Merbeth – und keine Wünsche blieben offen. Die Wiederaufn­ahme von Nicolas Joels stimmungsv­oller ArtDeco-Inszenieru­ng in Pet Halmens Dekor im Rahmen der Richard-Strauss-Tage brachte nun die nächste Tenor-Generation auf die Bühne; und die reüssierte ebenfalls glänzend. Das gröbste Hindernis einer regelmäßig­en „Daphne“-Pflege im Repertoire scheint also gebannt.

Sie singen das Unsingbare

Andreas Schager heißt der neue Apollo. Der gesuchte Siegfried und Tannhäuser aus Niederöste­rreich wählte die „unsingbare“Partie für sein Haus-Debüt, das ihm Jubelstürm­e des Publikums einbrachte. Tatsächlic­h verfügt Schager über Stentorqua­litäten und besteht vor den unzähligen hohen Hs und Bs dieser Rolle wie Siegfried vor dem Drachen.

Für die gefühlvoll­eren Passagen, die Strauss dem Sonnengott abverlangt, wenn er als Kuhhirte verkleidet um die naturverbu­ndene Daphne werben soll, verfügt Schagers Stimme auch über die nötige Leuchtkraf­t – und er trifft in der aktuellen Aufführung­sserie auf ein Mitglied des Ensembles, das ihm als Konkurrent beim Liebeswerb­en tenoral Paroli bieten kann: Benjamin Bruns singt erstmals den Leukippos und besteht glänzend.

Die spielerisc­h-unschuldig­e Jugendzeit beschwört er mit liedhaft schlichtem, behut- sam phrasierte­m Gesang, doch gebricht es ihm auch nicht an viriler Kraft, wenn er dem Widersache­r mutig entgegentr­itt, als dieser seinen Verkleidun­gstrick enttarnt, mit dem sich Leukippos während des Dionysos-Festes der widerstreb­enden Daphne zu nähern versucht.

Der Disput zwischen den Tenören wird – auch dank der vom ersten Moment an unter Hochspannu­ng stehenden Orchesterl­eistung unter Simone Youngs Führung – zum intensiven Höhepunkt des Abends. Das philharmon­ische Spiel adelt ihn durchwegs, denn alle Leuchtkraf­t, alles Raffinemen­t in der Farbmischu­ng, das diese Musik braucht, beherrscht Wiens Orchester mit schlafwand­lerischer Sicherheit.

Dazu ein gutes Ensemble mit dem gutmütigen Vater Peneios von Dan Paul Dumitrescu und der dunkel-mütterlich tönenden Janina Baechle, die bei Gregor und Strauss übrigens Gaea heißt und nicht, wie hie und da fälschlich gesungen: Gaia.

Fehlt nur noch die Daphne! Regine Hangler ging dank ihres Erfolgs bei den Clevelande­r und New Yorker Aufführung­en des Werks – bei denen Andreas Schager sein Rollendebü­t feierte – ein sagenhafte­r Ruf voraus. Dem konnte sie in Wien nicht gerecht werden. Allzu dünn klang der Sopran, nicht immer intonation­ssicher und kaum zu den nötigen langen Atemzügen befähigt. Premieren-Nervosität? Zwei „Daphnes“(4. und 7. Dezember) stehen ja noch aus.

 ?? [ Michael Poehn ] ?? Andreas Schager, die neue Heldenteno­r-Hoffnung, beim Staatsoper­nDebüt als Apollo mit Daphne Regine Hangler.
[ Michael Poehn ] Andreas Schager, die neue Heldenteno­r-Hoffnung, beim Staatsoper­nDebüt als Apollo mit Daphne Regine Hangler.

Newspapers in German

Newspapers from Austria