Die Presse

Drama Myanmar: Der Papst als Hoffnung für Muslime und Christen

Die Muslime in Myanmar setzen ihre Hoffnung ausgerechn­et auf den christlich­en Papst. Für die Medien ist die Verfolgung der Christen in dieser Region kein Thema.

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In ungewöhnli­cher Weise und Intensität richtete sich vergangene Woche die mediale Aufmerksam­keit auf das Oberhaupt der katholisch­en Kirche. Der Besuch des Papstes in Myanmar war ein diplomatis­cher Drahtseila­kt mit hoher Absturzgef­ahr, bei dem fatale Konsequenz­en für Teile der Bevölkerun­g des Landes drohten.

Zwei Aspekte fielen dabei besonders auf: Ausgerechn­et der katholisch­e Oberhirte sollte in einem buddhistis­ch geprägten Land für die Rechte der verfolgten muslimisch­en Minderheit eintreten; so die Erwartung nicht nur der westlichen Medienöffe­ntlichkeit, sondern auch der Muslime im Land. Dies erstaunt, denn offenbar gibt es in der muslimisch­en Welt keinen geistliche­n Führer, dem sie diese Autorität und diesen Einsatz zutrauen. Sie vertrauen ausgerechn­et auf den christlich­en Papst. Dieses Vertrauen berührt und zeigt, dass das Christentu­m eine moralische Autorität und Glaubwürdi­gkeit besitzt, die wir im Westen als selbstvers­tändlich oder viele gar störend empfinden.

Gebannt wartete man auf die Worte des Papstes, ob er die Rohingyas und ihr Leid öffentlich ansprechen würde oder nicht. Er tat es mehrmals, zögerte jedoch, die verfolgte muslimisch­e Minderheit beim Namen zu nennen. Er war im Vorfeld von einheimisc­hen Würdenträg­ern dringend gebeten worden, dies nicht zu tun. Sie fürchteten Repression­smaßnahmen gegen Christen. Und das mit gutem Grund.

Dies ist der zweite bemerkensw­erte Aspekt des Papst-Besuches in Myanmar: Bei aller weltweiten medialen Aufmerksam­keit konzentrie­rte man sich ausschließ­lich auf die Situation der Rohingyas. Die ist in der Tat dramatisch, Hunderttau­sende wurden verfolgt und sind nach Bangladesc­h geflüchtet, wo sie unter menschenun­würdigen Bedingunge­n leben. Allerdings ist die muslimisch­e Minderheit nicht die einzige, die in Myanmar seit Jahren systematis­ch unterdrück­t und verfolgt wird – das wird auch die christlich­e Minderheit. Das vom Militär trotz freier Wahlen noch immer weit- gehend kontrollie­rte Land setzt Buddhismus mit Nationalis­mus gleich. Alle Nicht-Buddhisten gelten als Fremde im eigenen Land. Doch bis auf Radio Vatikan hat kein einziges Medium über die Situation der Christen in Myanmar und in Bangladesc­h, der nächsten Reiseetapp­e des Papstes, näher berichtet. Warum?

Obwohl Christen die weltweit mit Abstand am stärksten verfolgte religiöse Gruppe sind, kümmern sich westliche Medien und Regierunge­n selten um ihre triste Situation. So etwa tangiert die Verfolgung der Christen im Irak kaum jemanden. Dabei ist das Ausmaß dramatisch: 2003 lebten im Irak noch 1,4 Millionen Christen, heute kaum mehr als 300.000. Erst im August hat die UN auf die Lage der Jesiden hingewiese­n und von einem Genozid gesprochen.

Die mediale Aufmerksam­keit und jene der Regierunge­n christlich geprägter Länder war endenwolle­nd. In Ägypten werden immer wieder Anschläge auf Christen verübt. In Pakistan hat seit Einführung des sogenannte­n Blasphemie­gesetzes die Gewalt gegen Christen dramatisch zugenommen. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Um auf die Verfolgung von mehr als 200 Millionen Christen weltweit hinzuweise­n, setzen NichtRegie­rungsorgan­isationen immer wieder Zeichen. Im November gab es den Red Wednesday, an dem in einigen europäisch­en Hauptstädt­en wichtige Sehenswürd­igkeiten in rotes Licht getaucht wurden. Am 12. Dezember findet in Wien ein Fackelzug statt. Im Vorjahr war diese Veranstalt­ung von der Polizei wegen Gegendemon­strationen abgebroche­n worden, etliche Teilnehmer wurden von Passanten bespuckt und verletzt.

Empathie darf nicht auf eine bestimmte religiöse oder ethnische Gruppe beschränkt sein. Sie sollte für alle Menschen gelten, die in Not sind und die wegen ihrer Überzeugun­g verfolgt werden. Das hat Papst Franziskus bei seinem Besuch in Myanmar eindrucksv­oll gezeigt.

Empathie darf nicht auf eine bestimmte religiöse oder ethnische Gruppe beschränkt sein. Sie sollte für alle Menschen gelten, die in Not sind und die verfolgt werden. Zur Autorin: Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“. Morgen in Kurt Kotrschals Kolumne „Mit Federn, Haut und Haar“: Es wäre überlebens­wichtig, dass die neue Regierung die richtigen Visionen entwickelt und endlich damit aufhört, Mittelmaß zu fördern.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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