Die Presse

Kurz – ein Leben ohne Brüche

Die erste Biografie über Sebastian Kurz ist veröffentl­icht. Geschriebe­n haben sie zwei „Falter“Journalist­innen. Er kommt gar nicht so schlecht weg.

- VON OLIVER PINK

Eine Biografie über einen 31-Jährigen? Hat ein solcher überhaupt genug erlebt, dass es ein ganzes Buch rechtferti­gt? Ganz sicher dürften sich die Autorinnen auch nicht gewesen sein. „Sein Lebenslauf entspricht dem Erwartbare­n. Kein Bruch, kein Umweg stört den Karrierewe­g dieses österreich­ischen Wunderkind­es der konservati­ven Politik.“Die beiden „Falter“-Journalist­innen Barbara Toth´ und Nina Horaczek haben jedenfalls den Versuch unternomme­n, den bisherigen Geradeausw­eg des Sebastian Kurz nachzuzeic­hnen.

Das Buch ist sehr gut geschriebe­n. Klassische­r Magazinsti­l – elegant, pointiert, hintergrün­dig. Ein Wie-er-wurde-was-er-ist-Abriss. Vieles ist (annähernd) bekannt, vieles aus zahlreiche­n Medien zusammenge­tragen, vieles stammt aus Gesprächen mit Wegbegleit­ern. Große, neue Geheimniss­e werden nicht offenbart. Was wohl damit zusammenhä­ngt, dass Sebastian Kurz an diesem Buchprojek­t selbst nicht teilgenomm­en hat. Dieses Buch sei mit seinem Wissen, aber ohne seine Unterstütz­ung entstanden, schreiben die Autorinnen. Mehrere Anfragen seien ohne Ergebnis geblieben.

Wiewohl der „Falter“im Wahlkampf recht eindeutig gegen Sebastian Kurz und für Christian Kern Partei ergriffen hat, halten die beiden Redakteuri­nnen der Wiener Stadtzeitu­ng Distanz zum Porträtier­ten. In manchen Passagen klingt sogar Bewunderun­g für den Karrierewe­g des jungen Mannes durch, andere sind wiederum kritisch gehalten. In Summe hält das Verspreche­n, das Horaczek und Toth´ im Prolog abgeben: Es sollte weder eine „Jubelbiogr­afie“noch eine „Abrechnung“werden.

Sebastian Kurz wird als ein Politiker geschilder­t, der stets die Kontrolle behält – über sich und andere. Einer, der keine Schlachten beginne, die er nicht gewinnen könne. Kurz sei ein „Durchschni­ttsmensch ohne Allüren und Eitelkeite­n“, die Grenze zur Kunstfigur fließend. Einer, der „auch herzhaft lachen kann“. Freilich fehlen die Hinweise nicht, dass es sich bei Kurz um einen „Strache light“handeln könnte. Um einen „Neoliberal­en“sowieso. Breiten Raum nimmt der Rollenwech­sel des Sebastian Kurz ein: vom frechen JVPler über den Everybody’s Darling als Integratio­nsstaatsse­kretär bis zum Law-and-Border-Mann als Außenminis­ter.

Familie als Erfolgsgeh­eimnis

Ein wesentlich­er Teil des Buches ist die Schilderun­g der familiären Prägung: Das Aufwachsen in einem liebevolle­n Elternhaus, das dem Sohn auch viele Freiheiten ließ, scheint, so liest man es jedenfalls heraus, ein wesentlich­er Grund für den späteren Erfolg des Sebastian Kurz gewesen zu sein.

Ein Befund stimmt jedenfalls: Sebastian Kurz und sein einge- schworener Inner Circle sind die „Kinder der kurzen und turbulente­n Ära Josef Pröll“. Ohne Prölls Scheitern hätte es wohl weder die Neos noch die Liste Kurz gegeben. Dieses Scheitern an den Machtstruk­turen der ÖVP haben Kurz und seine Vertrauten, die in Prölls Partei und Perspektiv­engruppe engagiert waren, hautnah miterlebt. Und daraus ihre Lehren gezogen.

Gefallen finden die Autorinnen auch an Oberflächl­ichkeiten: „Gepflegte Haarpracht, weiße krawattenl­ose Hemden und schmale Anzüge in allen Schattieru­ngen zwischen Granitgrau und Nachtblau“, heißt es auf Seite 14 über die KurzAnhäng­er. „Dunkelblau­er Anzug, weißes Hemd, ohne Krawatte, makellos matter Teint“, heißt es auf Seite 18 über Sebastian Kurz selbst. „Es gab die eleganten, langen, schlanken Sacherwürs­tel mit Kren, Senf und Ketchup“, heißt es auf Seite 37 über die Verpflegun­g bei der Wahlparty am 15. Oktober im Kursalon Hübner.

Verdichtet nacherzähl­t werden die entscheide­nden Wochen und Monate vor der Machtübern­ahme durch Sebastian Kurz in der ÖVP, insbesonde­re die daraus hervorgega­ngenen Konflikte in der Koalitions­regierung Kern/Mitterlehn­er. „In dieser Phase zeigte Kurz, dass er auch das klassische Handwerk der Politikint­rige versteht.“Freundlich und verbindlic­h als Außenminis­ter in der Öffentlich­keit, ein „beinharter Machtmensc­h“nach innen. Einer, den man sich nicht als Gegner aussuchen wolle.

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[ APA ] Sebastian Kurz mit seinem Vater: Geborgenhe­it und Freiheit in seiner Familie waren prägend für den Weg des ÖVP-Chefs.
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Nina Horaczek, Barbara Toth:´ „Sebastian Kurz – Österreich­s neues Wunderkind“ Residenz-Verlag 128 Seiten 18 Euro

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