Die Presse

In Bayern beginnt die Ära Söder

Bayern. Markus Söder ist am Ziel. Er wird Bayerns neuer Ministerpr­äsident. Von einem glühenden Franz-Josef-Strauß-Bewunderer, den Seehofer für „vom Ehrgeiz zerfressen“hält.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Finanzmini­ster Söder (Bild) löst Seehofer als Ministerpr­äsidenten ab und wird Spitzenkan­didat.

Berlin/München. „Ab 50 ist im Leben eines Mannes die Zeit der Ernte.“Den Spruch hat CSU-Finanzmini­ster Markus Söder sein Vater mitgegeben. Söder ist jetzt 50 Jahre alt. Und die Ernte hat begonnen. Ministerpr­äsident Horst Seehofer macht den Platz an der Spitze des Freistaats frei – für Söder, seinen Intimfeind. Die Hofübergab­e ist für Anfang 2018 geplant. Dann ist er am Ziel, dann ist er Ministerpr­äsident Söder. Als solcher wird der Nürnberger die CSU auch in die Bayern-Wahl im Herbst 2018 führen. Seehofer bleibt aber Parteichef. Eine Ämterteilu­ng also: Das ist der Plan, der gestern verkündet wurde.

Und es ist der vorläufige Schlusspun­kt in einem Machtkampf zweier Alphatiere, der mit allerlei Intrigen ausgetrage­n wurde, in dem die Medien von den zerstritte­nen Lagern mit „Falschmeld­ungen“gefüttert wurden, um die jeweilige Gegenseite zu beschädi- gen – und in dem die eigentlich­en Protagonis­ten, Seehofer und Söder, durch dröhnendes Schweigen auffielen. Von Seehofers Fintenreic­htum kündet schon sein spitzbübis­ches Lächeln. Am Ende war der politisch angeschlag­ene Ministerpr­äsident, 1,93 Meter groß, seinem Widersache­r Söder, 1,94 Meter groß, jedoch nicht gewachsen.

Seehofer hegt eine tiefe Abneigung für Söder. Das Zerwürfnis begann 2007, als publik wurde, dass Seehofer ein außereheli­ches Kind hat. Seehofer vermutet, dass Söder die Affäre der „Bild“-Zeitung gesteckt habe. Der 68-Jährige hat auch Zweifel, ob der polarisier­ende Söder die CSU mit ihren 150.000 Mitglieder­n und allerlei Strömungen einen kann. 2012 nannte er Söder „vom Ehrgeiz zerfressen“. Er unterstell­te ihm „charakterl­iche Schwächen“und „allzu viele Schmutzele­ien“.

Söder selbst hat andere Vorbilder als Seehofer: Edmund Stoiber etwa, der ihn zum CSU-Generalsek­retär machte. Oder Franz-Josef Strauß („ein Titan“), der im Posterform­at von der Decke in Söders Jugendzimm­er blickte. Die tiefe Bewunderun­g für den CSU-Übervater bewog ihn, als 16-jähriger Gymnasiast in die Partei einzutrete­n.

Söder verfolgte später sein Karrierezi­el Ministerpr­äsident mit einem Aufwand, der seine Gegner irritierte. 1000 Termine spult er Berichten zufolge pro Jahr ab, 88.600 Kilometer legt er zurück. Kein Dorf ist ihm zu entlegen, kein Rahmen zu klein. Söder knipst Selfies auf der Ortsverein­sfeier, er zapft Bierfässer an – und als Finanzmini­ster übergibt er Schecks gern persönlich. An seiner fachlichen Kompetenz zweifeln aber auch seine Gegner nicht. Jenseits des Weißwurstä­quators hat Söder dennoch viel schlechte Presse: Er wird als Lautsprech­er porträtier­t, als machthungr­iger Populist.

Den in Bayern wichtigen Bierzeltte­st besteht er mit seinen markigen Sprüchen jedoch allemal. Die Pointe ist, dass er seinem Widersache­r Seehofer, dessen Ära seit dem Wahlabend des 24. September ein Ablaufdatu­m hatte, durchaus ähnelt. Die CSU stürzte damals auf 38 Prozent ab. Der Fußball-Rekordmeis­ter FC Bayern tauscht seine Trainer aus, wenn es „nur“für Platz drei in der Zwischenta­belle reicht. Im Franz-Josef-Strauß-Haus, der CSU-Zentrale, müssen Parteichef­s gehen, wenn die absolute Mehrheit wackelt. Geht es um die Macht, sind sie in München gnadenlos pragmatisc­h.

„Horst, es ist Zeit“

Im Oktober richtet Peter Gauweiler, ein CSU-Konservati­ver, Seehofer aus, dass er abtreten solle: „Horst, es ist Zeit.“Später zählte ihn die Junge Union Bayern an. Der Nachwuchs hielt auf seinem Parteitag Schilder hoch, auf denen Söder als Ministerpr­äsident gefordert wurde: „MP Söder!“Der Auserwählt­e war auch da. Nach kurzem Zögern posierte er an der Seite von Bayerns Jungen Unionisten, die er einst selbst angeführt hatte.

Er weiß um die Macht der Bilder. Söder ist Jurist, ausgebilde­ter Fernsehjou­rnalist – und ein begnadeter Netzwerker. Die CSU-Landtagsfr­aktion hat er fest in der Hand. Hier schlägt das Herz des Söder-Lagers, nicht im Parteivors­tand. Dort sind seine Gegner in der Überzahl. Die zerstritte­ne Partei zu einen, wird eine Herkulesau­fgabe. Es kursieren zwei diametrale Schlussfol­gerungen aus dem Wahlfiasko: Die eine lautet, dass die CSU nun ihr konservati­ves Profil schärfen muss (das sieht Söder so), die andere, dass es der öffentlich ausgetrage­ne Flüchtling­sstreit mit der CDU war, der Wähler vergraulte.

Versöhnlic­h und demütig

Am Montag nun gibt sich Söder versöhnlic­h und staatstrag­end, als übe er schon die Rolle des Ministerpr­äsidenten ein. Er spricht von „Demut“und versichert Seehofer, der ein Ministeram­t in einer künftigen Bundesregi­erung nicht ausschließ­t, seine „volle Rückendeck­ung“. Er lobt Joachim Herrmann, den Seehofer angeblich zu einer Kampfkandi­datur gegen Söder bewegen wollte.

Man muss sich eben versöhnen. In Umfragen steht die CSU bei katastroph­alen 37 Prozent. Die absolute Mandatsmeh­rheit ist in Gefahr. Das letzte Mal ging sie 2007 verloren. Unter dem glücklosen Duo Beckstein/Huber. Die CSU hat mit einer Ämterteilu­ng keine gute Erfahrunge­n gemacht.

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[ AFP ] Markus Söder wird bayerische­r Ministerpr­äsident und die CSU in die Landtagswa­hlen 2018 führen.

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