Die Presse

Statt neuen Präsidente­n bekam Honduras den Ausnahmezu­stand

Analyse. Die Auszählung nach der Präsidente­nwahl dauerte verdächtig lang. Das brachte die Bürger auf die Straße – und führte zu Ausgangssp­erren.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Buenos Aires/Tegucigalp­a. Vor neun Tagen gaben etwa 2,3 Millionen Honduraner ihre Wählerstim­men ab. Doch anstelle eines offizielle­n Ergebnisse­s bekam das kleine und arme mittelamer­ikanische Land den Ausnahmezu­stand.

Mit einer nächtliche­n Ausgangssp­erre will die Regierung des Präsidente­n Juan Orlando Hernan-´ dez die massiven Proteste ersticken, die vor allem die Metropole Tegucigalp­a und die Industries­tadt San Pedro Sula erfasst haben. Hunderte, vor allem junge Demonstran­ten wurden festgenomm­en, mindestens drei Menschen starben. Trotz des seit Freitag geltenden Sonderrech­ts protestier­ten auch am Wochenende Zehntausen­de gegen jene Vorgänge, die sie als Wahlbetrug der Regierung wahrnehmen.

Für solche Vorwürfe gibt es Indizien. Der letzte nationale Urnengang vor vier Jahren war binnen 15 Stunden komplett erfasst worden, aber dieses Mal ging alles verdächtig langsam. Das lag vor allem daran, dass die Wahlleitun­g am Tag nach dem Urnengang die Auszählung unterbrach, angeblich, weil das Computersy­stem ausgefalle­n war. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 57 Prozent der Stimmen registrier­t, und die Opposition lag mit fünf Prozentpun­kten vorn. Das Bündnis Libre ist eine Koalition mehrerer Linksparte­ien, die sich einen populären Spitzenkan­didaten gesucht haben: Salvador Nasralla moderiert Fußballsen­dungen und Gameshows im TV, er ging in die Politik aus Protest gegen die massive Korruption des Präsidente­n Hernandez.´ Dieser repräsenti­ert die traditione­llen Eliten des Landes, die 2009 hinter dem Putsch gegen den gewählten Präsidente­n, Manuel Zelaya, standen, der sich vom US-unterstütz­ten Establishm­ent ab- und dem roten Venezuela zugewandt hatte.

Der Putsch gegen Zelaya war dereinst gerechtfer­tigt worden mit dessen Aspiration­en auf eine zweite Amtszeit, die in der Verfassung nicht vorgesehen ist. Doch nun war es der liberalkon­servative Hernandez,´ der sich über das Grundgeset­z hinwegsetz­te. Dazu ermächtigt­e ihn der nationale Wahlrat, in dem seine Partei den Vorsitzend­en stellt, die linke Opposition aber nicht vertreten ist.

Schützenhi­lfe in Washington

Dass diese Wahlbehörd­e nach der „technische­n“Pause den Präsidente­n Hernandez´ vor dem Herausford­erer Nasralla listete, brachte die Opposition­sanhänger auf die Straße. Daraufhin rief Hernandez´ den Ausnahmezu­stand aus. Auf das Militär kann er sich verlassen, dort hat er, wie in der Justiz, Verwandte und Vertraute postiert. Montagfrüh, nach der Auszählung von 97 Prozent der Stimmen, verzeichne­te der Wahlrat den Präsidente­n Hernandez´ bei knapp 43 Prozent, während Herausford­erer Nasralla mit 41,4 Prozent gelistet wurde.

Nun verlangen viele ausländisc­he Stimmen eine Neuauszähl­ung der Wahl unter internatio­naler Beobachtun­g. Ein Machtwort sprechen könnte Washington. Doch dort blieb es still. Trumps Stabschef John Kelly hat jahrelang eng mit Hernandez´ zusammenge­arbeitet, dieser erschwerte die Auswanderu­ng in den reichen Norden. Das Weiße Haus dürfte wenig Interesse daran haben, diesen Verbündete­n zu verlieren.

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