Die Presse

Wie direkte Demokratie in St. Pölten funktionie­rt

Tierschütz­er haben das Büro von Landeshaup­tfrau Mikl-Leitner besetzt und so eine politische Zusage erzwungen. Etwa 30 Mitglieder des Vereins gegen Tierfabrik­en besetzten das Büro von Johanna MiklLeitne­r.

- VON NORBERT RIEF E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

Politik ist im besten Fall die Kunst des Möglichen. Teilweise kann sie recht unschön sein, wenn beispielsw­eise hinter den Kulissen gebackelt und geschoben wird. Das wusste schon Otto von Bismarck, der einmal sagte: „Bei zwei Sachen sollten Menschen nie dabei sein: wenn Würste gemacht werden und wenn Gesetze gemacht werden.“

Jetzt hatten wir das seltene Glück, live dabei zu sein, als das Gesetz für ein Verbot der Gatterjagd in Niederöste­rreich auf den Weg gebracht wurde. Und es war, wie Bismarck warnte, tatsächlic­h keine schöne Angelegenh­eit.

Zur Vorgeschic­hte: Der niederöste­rreichisch­e Landesrat, Stephan Pernkopf (ÖVP), hat im Mai ein Aus für die Gatterjagd angekündig­t. Die bestehende­n immerhin 71 umfriede- ten Jagdgebiet­e – jedes im Durchschni­tt mit einer Fläche von 330 Hektar – sollen bis 2029 aufgelasse­n werden. Doch offenbar gab es neben dem Widerstand der FPÖ auch innerparte­iliche Bedenken gegen das Vorhaben, es wurde auf jeden Fall nichts mit dem geplanten Beschluss des Verbots noch vor dem Sommer.

Das erzürnte den Verein gegen Tierfabrik­en, der nun die Initiative ergriff und kurzfristi­g das Büro der niederöste­rreichisch­en Landeshaup­tfrau, Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), besetzte. 30 Mitglieder des Vereins saßen und lagen aneinander­angekettet im Büro der Landeshaup­tfrau. Die Polizei war zwar anwesend, schritt aber nicht ein.

Nach sechseinha­lb Stunden hatte man Erfolg: Landesrat Pernkopf erklärte – wie auch sein Büro bestätigte –, „dass das bereits von ihm formuliert­e Gatterjagd­verbot bei der kommenden Sitzung des Landwirtsc­haftsaussc­husses auf der Agenda stehen wird“, heißt es in einer Aussendung des Vereins gegen Tierfabrik­en. Und weiter: „Die Tierschütz­er nahmen diese Nachricht mit großer Freude auf und waren sofort bereit, ihre Besetzung zu beenden. Und sogar die Polizei zeigte sich kulant und ließ die AktivistIn­nen unbehellig­t gehen.“

Das ist eine wirklich erfreulich­e Nachricht für alle Niederöste­rreicher, die ein politische­s Anliegen haben. Man muss keine Unterschri­ften sammeln, keine Bürgerinit­iative gründen, man muss nicht um Gehör bei den Politikern bitten – man geht einfach ins Büro der Landeshaup­tfrau, kettet sich dort für ein paar Stunden an und kann offenbar darauf vertrauen, dass man so sein Anliegen umsetzen kann. Eine ganz neue Form der direkten Demokratie.

Wenn jemand das Büro von Johanna Mikl-Leitner sucht: Es ist im Landhaus in St. Pölten im sechsten Stock.

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