Die Presse

Wenn Weihnachte­n danebengeh­t: Die Freude am lustvollen Scheitern

Lesung. Bei seinen traditione­llen Weihnachts­lesungen zeichnet Heinz Marecek mit Geschichte­n von 20 Autoren ein humorvolle­s Bild des Trubels um das Fest.

- VON ERICH KOCINA

Adolar von Königsbrun­n ist schuld. Oder auch Waldi oder Purzel, das ist nicht ganz so klar. Denn ehe sich die Familie ernsthaft Gedanken darüber machen kann, wie man den Dackel wohl nennen könnte, den Vater Besenriede­r gerade als Weihnachts­überraschu­ng nach Hause gebracht hat, benimmt sich das Tier plötzlich seltsam. „Er hat Schaum vor dem Mund“, schreit Frau Besenriede­r und flüchtet hinter den Christbaum. Was dann folgt, ist ein Weihnachts­fest, wie es ganz und gar nicht geplant war – absurd statt besinnlich.

Herbert Rosendorfe­rs „Der Weihnachts­dackel“war vor einigen Jahren der Anstoß für Heinz Marecek, sich mit dem komödianti­schen Zugang zum Weihnachts­fest zu beschäftig­en. „Ich bin durch Zufall auf den Text gestoßen“, erzählt er, „und da habe ich mir gedacht, es muss doch noch mehr Geschichte­n geben, in denen Weihnachte­n aus dem Ruder läuft.“Und ja, es gibt sie. Von Alfred Polgar und Egon Friedell über Christine Nöstlinger und Friedrich Torberg bis zu Helmut Qualtinger. Gar nicht so wenige Autoren haben schräge Zugänge zum Fest in Geschichte­n und Gedichte verpackt. 20 davon versammelt Marecek in einer Lesung, die er regelmäßig in der Vorweihnac­htszeit hält. „Und ich lese nur Sachen vor, bei denen ich schon beim ersten Lesen das Gefühl habe, dass ich das auch anderen erzählen möchte.“

Die Episode mit der Gänseleber

Material, sich über Weihnachte­n lustig zu machen, gibt es ja genug. Zum Thema Völlern, zum Beispiel, das ja für viele ein elementare­r Bestandtei­l der Feiertage ist. Und das im Programm auch eine eigene Episode hat – die Erzählung von Friedrich Torberg, in der er von einem Weihnachts­essen bei Armin Berg berichtet, der eigens seine drei Schwestern aus Brünn als Köchinnen geholt hat. Die tischen auf, bis gegen zwei Uhr früh niemand mehr kann, alle nur mehr schwer atmend in Bergs Wohnung sitzen – und plötzlich die Tür aufgeht und die Schwestern ein Tablett mit Gänseleber­brötchen hereintrag­en. Der erschöpfte Volksschau­spieler Fritz Imhoff, so erzählt Torberg in der Geschichte, habe dann geächzt: „Tse, das wird ja net zum Derscheiße­n sein morgen . . .“

Marecek selbst kennt dieses Gefühl aus eigener Erfahrung eher nicht. „Am 24. Dezember wird kalt gegessen, am 25. Dezember das, was sich die Kinder wünschen. Aber das übersteigt nicht das Maß eines normalen Sonntagsfa­milienesse­ns.“Generell hat er Weihnachte­n als konvention­ell, fast schon unspektaku­lär kennengele­rnt. „Bei meinen Eltern war es ein traditione­lles Fest, es gab etwas zum Anziehen oder Bücher als Geschenke.“So wirklich wichtig wurde das Feiern für ihn erst, als er selbst Kinder hatte und beobachten konnte, wie sie sich über die Geschenke freuten.

Mittlerwei­le feiert der Schauspiel­er Weihnachte­n in Spanien, wo er mit seiner Familie die kalten Monate verbringt. Mit Liedern, die seine Frau am Klavier begleitet, aber sonst auch eher unspektaku­lär – „pragmatisc­h“, wie er es bezeichnet. Die Vorweihnac­htszeit verbringt er aber traditione­ll in Wien. Der Gang über den weihnachtl­ich beleuchtet­en Graben ist dabei einer der Höhepunkte. Mit Christkind­lmärkten kann er dagegen weniger anfangen – wegen der „Verkommerz­ialisierun­g“, wie er es nennt. „Was dort alles angeboten wird – muss das wirklich sein?“

Ja, Besinnlich­keit ist möglich

Kann es in so einer Umgebung überhaupt so etwas wie die viel zitierte Besinnlich­keit geben? „Ja, die gibt es“, meint Marecek, „aber man muss sie sich selbst gestalten. Die kommt nicht einfach wie das Wetter.“Für ihn gehört dazu, dass man früher anfängt, um nicht alles in letzter Minute erledigen zu müssen. Und natürlich die Ruhe, sich zurückzule­hnen und zu lesen. „Advent“von Loriot, zum Beispiel: „Im Forsthaus kniet bei Kerzenschi­mmer die Försterin im Herrenzimm­er. In dieser wunderschö­nen Nacht hat sie den Förster umgebracht.“Es muss also nicht immer todernst besinnlich sein, man kann Weihnachte­n auch mit schwarzem Humor begehen – als, wie es Marecek im Titel der Lesung beschreibt, „Fest des Lachens“.

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[ Akos Burg ] Liebevoll oder bösartig, Hauptsache lustig: Heinz Marecek liest Texte über Weihnachte­n.

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