Die Hierarchie ist wiederhergestellt
Ski. Marcel Hirschers Comeback mag erstaunen, dabei ist er den Rivalen längst enteilt.
Beaver Creek/Lake Louise. Erst Cornelia Hütter, dann Aksel Lund Svindal und Lara Gut, im letzten Rennen auch noch Marcel Hirscher: Das Wochenende in Nordamerika hat die gewohnte Rangordnung im Skiweltcup wiederhergestellt, die Topstars der vergangenen Winter stehen nach Verletzungspausen wieder ganz oben (Hütter, Svindal, Hirscher) oder zumindest auf dem Stockerl (Gut).
Hirschers Riesentorlauf-Triumph nur 108 Tage nach seinem Knöchelbruch ist das Resultat eines im Skizirkus wohl noch nie zuvor betriebenen Aufwandes: Mit einem halben Dutzend Serviceleuten tüftelte das Team Hirscher in Colorado mit den ab dieser Saison neu taillierten Skiern. Die Abstimmung gelang, und wenn das Material einmal stimmt, dann reichen Ausnahmekönnern wie dem Salzburger auch wenige Trainingsläufe, alles Weitere spielt sich im Kopf ab. Und mit Druck umzugehen ist neben der Materialabstimmung Hirschers zweite große Meisterdisziplin. Der letzte Erfolgsbaustein war ein Wagnis zur rechten Zeit: „Ich bin vollstes Risiko gegangen“, erklärte Hirscher, der sich im zweiten Durchgang für ein neues Paar extra angefertigter Skier entschieden und damit Laufbestzeit hingelegt hat.
Wirklich so unerwartet?
„So unerwartet wie dieser Sieg war davor noch keiner“, meinte der 28-Jährige zwar, es sei sogar einer der größten seiner Karriere gewesen. Doch schon im Levi-Slalom hatte er aufgezeigt, fuhr mit Schmerzen und nach nur einzelnen Trainingstagen die drittbeste Laufzeit in Durchgang eins. Im Riesentorlauf war er ohnehin schon Teil eines Trios, das der Konkurrenz längst enteilt ist. Von den jüngsten 45 Rennen dieser Disziplin sind nur vier nicht an Hirscher (18), Ted Ligety (14) oder Alexis Pinturault (9) gegangen. In Beaver Creek hat der Annaberger mit seinem 23. Riesentorlaufsieg in der Bestenliste den drittplatzierten Michael von Grünigen eingeholt. Nächster vor ihm ist Ligety (24).
Weil kein anderer Athlet mit Hirschers Aufwand, seiner Akribie und seinem Team mithalten kann, ist – mangelnde Vorbereitung hin oder her – auch der siebente Gesamtweltcupsieg in Folge alles andere als utopisch. Er selbst warnt trotz aller Euphorie. „Die Chancen sind nicht die besten“, übt sich Hirscher wie immer in Zurückhaltung. Um am Ende doch wieder zu siegen. Wie in Beaver Creek.
Beinahe untergegangen ist nach Hirschers Comebackerfolg, dass die ÖSV-Speedherren mit einem Sieg und vier Podestplätzen in vier Rennen in Übersee so gut wie seit sieben Jahren nicht mehr abgeschnitten haben. (joe)