Hier wird der klinische Tod zum Videospiel
Derzeit im Kino: faul inszenierte Horrorvisionen in einem Remake von „Flatliners“.
Die fantastischen Berichte von Menschen, die nach einem Herzstillstand ins Leben zurückgeholt werden konnten, dienen spiritualistischen Zeitgenossen oft als Beleg für die faktische Existenz einer unsterblichen Seele oder einer postmortalen Parallelwelt. Alles Blödsinn, sagen hingegen rational-materialistische Wissenschaftler: Sie sehen in den Nahtoderlebnissen das Resultat einer Fehlfunktion des Gehirns bei schwerem Sauerstoffentzug und in den euphorischen Glückszuständen eine Folge der Ausschüttung von Endorphinen in einer lebensbedrohlichen Situation.
Der 1990 entstandene Fantasy- und Horrorfilm „Flatliners“war auf der Grenze zwischen diesen beiden Positionen angesiedelt. Regisseur Joel Schumacher hatte damit zwar kein philosophisch scharfsinniges Meisterwerk gedreht, aber durch seinen charmant-naiven Genrekino-Zugang die Widersprüche zwischen einer metaphysischen, einer medizinischen und einer psychoanalytischen Beurteilung des Todes zumindest gelockert. Zudem war der Film mit ideologiekritischen Seitenhieben auf den Narzissmus, die Ruhmsucht und die Abenteuergeilheit seiner repräsentativen Helden im postadoleszenten Alter gespickt, die u. a. von aufstrebenden Jungschauspielern wie Julia Roberts oder Kiefer Sutherland verkörpert wurden.
Experiment von Medizinstudenten
Im gleichnamigen Remake von Niels Arden Oplev geht es nun abermals um eine Gruppe von Medizinstudenten, die sich gegenseitig und reihum in einen Zustand des klinischen Todes versetzen, um nach der erfolgreichen Anwendung von Wiederbelebungsmaßnahmen einen Zuwachs ihrer körperlichen und geistigen Kräfte festzustellen. Wie sich schließlich herausstellt, hat das Experiment, das auf die Initiative einer von Ellen Page gespielten Karrieristin zurückgeht, aber einen unheimlichen Haken.
Leider ist das „Flatliners“-Remake ziemlich gestümpert. Dass Oplev sich nicht an der neogotischen Camp-Ästhetik des Originals orientieren würde, war ja vorherzusehen. Dafür erinnert der Look seines Films frappierend an den von Highschool- und Krankenhaus-Soaps. Enttäuschend ist auch, dass sich keine der Figuren mehr den Kopf über die erwähnte Grundsatzfrage zerbricht – wodurch ihre Nahtoderlebnisse zum Virtual-Reality-Videospiel verkommen. Am schwersten wiegt jedoch, wie schamlos faul ihre Transzendenz- und Horrorvisionen inszeniert sind. Der echte Tod ist hoffentlich besser. (m. t.)