Die Presse

Innovation braucht sanierte Unis und mehr Grundlagen­forschung

Es ist überlebens­wichtig, dass die neue Regierung die richtigen Visionen entwickelt und aufhört, Mittelmaß zu fördern.

- Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungs­stelle in Grünau. E-Mails an: debatte@diepresse.com

D ie neue Regierung muss Österreich zukunftsfi­t machen. Es ist daher zu hoffen, dass den türkis-blauen Verhandler­n mehr einfällt als jene kleinen Brötchen, von denen man aus den Medien erfährt. Es bedarf der großen Würfe, als Befreiungs­schlag gegen das wuchernde Mittelmaß und als Initialzün­dung für Aufbruch auch im Kopf. Kein „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Zukunft geht nicht ohne mühsame Richtungsw­echsel.

Defizite in der heimischen Innovation­sfähigkeit im Vergleich zum Weltspitze­nniveau verursache­n angesichts der Globalisie­rung ein geistig-wirtschaft­liches Abrutschen, und damit zunehmende Fremdbesti­mmung. Schrittmac­her erkennen die Zeichen der Zeit, etwa die ostasiatis­chen „Tigerstaat­en“, einschließ­lich China.

Im Lichte der Konkurrenz­fähigkeit in Sachen Innovation nimmt sich die Investitio­n in die Grundlagen­forschung – die Basis für alles Weitere – putzig aus. Österreich liegt zwar mit 11,3 Milliarden für Forschung und Entwicklun­g im europäisch­en Spitzenfel­d – viel davon ist aber mehr oder weniger versteckte Wirtschaft­sförderung. Bezüglich Innovation­sfähigkeit liegen wir dagegen bloß auf Platz elf. Das ist vor allem der jämmerlich­en Unterdotie­rung der heimischen Topgrundla­genforschu­ng geschuldet.

So etwa fließen über den Schweizer Nationalfo­nds 97 Euro pro Kopf der Bevölkerun­g in die Grundlagen­forschung, über den österreich­ischen Fonds zur Förderung der wissenscha­ftlichen Forschung (FWF) hingegen bloß 24 Euro. Das ist noch viel schlimmer, als es scheinen mag, finanziert hierzuland­e doch der FWF als einzig nennenswer­te Agentur die Topgrundla­genforschu­ng. Von den 11,3 Milliarden für Forschung und Entwicklun­g fließen also weniger als 300 Millionen (zwei Prozent) in das zentrale Glied der Innovation­skette. Warum ist es nicht möglich, den hervorrage­nd arbeitende­n FWF durch Umschichte­n auf 600 Millionen aufzustock­en und so die heimische Forschungs­misere nachhaltig zu sanieren? Z usammen hängt dies auch mit den Zuständen an den Universitä­ten. Denn diese sind angesichts der wenigen außerunive­rsitären Einrichtun­gen die wichtigste­n Trägerinne­n der heimischen Spitzenfor­schung. Im internatio­nalen Vergleich bleiben sie aber Mittelmaß. Die FWF-Mittel machen zwar 25 Prozent der universitä­ren Drittmitte­l aus, aber weniger als ein Drittel des wissenscha­ftlichen Personals der heimischen Universitä­ten stellt FWF-Anträge. Dies bedeutet, dass sich zwei Drittel der „Wissenscha­ftler“an unseren Unis von internatio­nal kompetitiv­er Spitzenfor­schung fernhalten und im Mittelmaß dümpeln – ein unhaltbare­r Zustand!

Die Hauptgründ­e? Ja klar, Studienpla­tzfinanzie­rung, Zugangsbes­chränkung und eine zweckmäßig­e Aufgabente­ilung mit den Fachhochul­en – geschenkt! Längst überfällig ist, dass ein guter Teil der Uni-Finanzieru­ng über die Overheads von FWF-Projekten fließt; das allein würde die Universitä­ten und ihr Personal wesentlich beflügeln. Aber auch die Berufungsv­erfahren schreien nach Reform. Wo sie gelingen, werden Spitzenpro­fessoren engagiert, dort floriert das Fach und strahlt weit über die Uni hinaus aus.

Die im eigenen Saft köchelnden Berufungsk­ommissione­n dagegen bleiben immer noch oft genug dem Prinzip „Second class people hire third class people“verhaftet. Daher wäre es überlebens­wichtig, dass unsere neue Regierung die richtigen Visionen entwickelt und damit aufhört, Mittelmaß zu fördern.

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VON KURT KOTRSCHAL

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