Die Presse

Wenig überrasche­nd plant die neue Koalition ein rechtes Programm

Nicht der politische Kurs von Kurz und Strache ist angesichts ihrer satten Wählermehr­heit das Hauptprobl­em, sondern die vielen Unklarheit­en über wichtige Inhalte.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die zum Teil überdrehte Kritik an der künftigen türkis-blauen Koalition wirkt bestenfall­s blauäugig. Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache haben im Wahlkampf nicht verschwieg­en, dass sie beide eine deutlich andere Politik wollen, als sie bisher die alte Große Koalition geliefert hat. Sie haben dafür gemeinsam eine deutliche Mehrheit der Wählerscha­ft erhalten, ihre Zusammenar­beit hat auch die größte Unterstütz­ung aller möglichen Koalitions­varianten. Dass die neue, deutlich größere Koalition als die verflossen­e ein deutlich rechteres Regierungs­programm diskutiert, ist daher völlig legitim. Wie natürlich grundsätzl­ich auch die Kritik der neuen Opposition daran.

Wirklich irritieren­d ist dagegen, wie holprig die Koalitions­verhandlun­gen laufen – und wie viele große Fragen bisher unscharf oder noch gar nicht gelöst wurden. Kanzlerkan­didat Kurz ist mit seinem Vorhaben einer möglichst raschen Regierungs­bildung schon gescheiter­t. Es war halt einfacher, eine Partei in politische­r Todesangst zu kapern, als jetzt mit dem machtbewus­sten Routinier Strache ein attraktive­s Programm zu vereinbare­n.

Leuchtturm­projekte waren angekündig­t, bisher seien aber nur Glühwürmch­en zu erkennen, ätzte treffend eine „Kurier“-Kommentato­rin über die bisherigen Verhandlun­gsergebnis­se. Das liegt auch an der merkwürdig­en Verhandlun­gsführung der künftigen Partner und einer verfehlten Informatio­nspolitik. Statt präziser Informatio­nen über konkret ausverhand­elte wichtige Vorhaben dominieren Meldungen über das persönlich­e Klima unter den Verhandler­n, den Bartwuchs des blauen Hofer, Rauchverbo­te oder Schulnoten die Debatte.

Dazu fehlt der Mumm oder die Profession­alität, mediale und politische Kritik zu kontern. Konkret zu beobachten bei den geplanten Reformen in der Bildungspo­litik. Dass hier angesichts schwerster Defizite bei einem Viertel der Schüler dringender Handlungsb­edarf besteht, lässt sich nicht bestreiten. Dass man dabei wieder mehr Wert auf Leistung und Pflichten der Schüler legt, ist angesichts der zunehmend größeren Anforderun­gen auf dem Arbeitsmar­kt leicht argumentie­rbar. Und dass man die unverzicht­bare Integratio­nsleistung von Kindergärt­en und Schulen für Migrantenk­inder auch durch mehr verpflicht­ende Regelungen für Schüler und Eltern verstärkt, ist geradezu eine unverzicht­bare Politik zur Verhinderu­ng weiter wachsender ghettoisie­render Chancenlos­igkeit von jungen Zuwanderer­n.

Die beim Bildungsth­ema traditione­ll stark ideologisi­erte Diskussion überlassen die Koalitions­verhandler aber weitestgeh­end ihren Kritikern. Und sie vermitteln alles andere als den Eindruck einer selbstbewu­ssten neuen Zielsetzun­g.

Der unübersehb­are Mangel an Profession­alität in den Koalitions­verhandlun­gen dämpft naturgemäß deutlich die Erwartunge­n von echten Lösungen in den völlig offenen großen Problember­eichen. In einem der großen Projekte, der Reform der Sozialvers­icherungen, steckt Kurz schon in mehrfachen Zwängen. Die einfache Zusammenle­gung der Krankenkas­sen ist ohne umfassende­re Reform des Gesundheit­swesens sachlich falsch.

Zum Autor: Peter Rabl arbeitete über Jahrzehnte als Journalist, Kommentato­r, Präsentato­r und Manager in Tageszeitu­ng, Magazinen und im Fernsehen. Vor seiner Pensionier­ung war er langjährig­er Herausgebe­r des „Kurier“.

Der Widerstand der weiterhin schwarzen Landeshäup­tlinge gegen ihren Obertürkis­en ist in dieser Frage massiv. Und auf der anderen Seite gehört diese Reform für die Blauen schon seit Jörg Haiders Zeiten zum Kernbereic­h ihrer politische­n Forderunge­n.

Völlig offen bleiben auch die Pflichtmit­gliedschaf­t bei den Kammern, die demokratie­politische höchst heikle Frage der verpflicht­enden Volksabsti­mmungen und die künftige Budget- und Steuerpoli­tik. Von der ultimative­n Herausford­erung der Verteilung von Ministerie­n und Kompetenze­n wollen wir vorerst noch gar nicht reden.

Sebastian Kurz hat sein Wahlprogra­mm mit „Der neue Weg für Österreich“überschrie­ben. In den Koalitions­verhandlun­gen erleben wir bisher aber eher ein Labyrinth.

Kurz hat sein Wahlprogra­mm mit „Der neue Weg“überschrie­ben. Die Koalitions­gespräche gleichen bisher eher einem Labyrinth. Morgen in „Quergeschr­ieben“: Nimmt die kommende schwarz-blaue Regierung ihre Reformidee­n für die Schule ernst, dann kosten diese viel zusätzlich­es Geld – und verärgern womöglich ihre eigene Klientel. Von Sibylle Hamann.

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VON PETER RABL

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