Ehe und Ehe light für alle
Partnerschaft. Der Verfassungsgerichtshof öffnet die Ehe für Homosexuelle. Umgekehrt dürfen ab 2019 auch Heterosexuelle eine Eingetragene Partnerschaft schließen. Sofern es diese Rechtsform dann noch gibt.
Wien. Während die wohl künftigen Koalitionspartner ÖVP und FPÖ die Ehe nicht für Homosexuelle öffnen wollten, entschied der Verfassungsgerichtshof (VfGH) nun, dass die Ehe ab 2019 auch gleichgeschlechtlichen Paaren offenstehen muss. Doch was bedeutet das VfGH-Erkenntnis für homo-, aber auch für heterosexuelle Paare? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
1 Warum hält der Verfassungsgerichtshof das bisherige Gesetz für nicht verfassungsgemäß?
Bis zum jetzigen Fall hatte der VfGH noch kein Problem darin gesehen, dass es die Ehe nur für heterosexuelle Partner gibt, während Homosexuelle nur die Eingetragene Partnerschaft (EP) schließen konnten. Doch in den vergangenen Jahren ist die EP der Ehe immer ähnlicher geworden. Heute sei eine Differenzierung in zwei Rechtsinstitute nicht mehr aufrechtzuerhalten, meint der VfGH; denn sie drücke aus, dass die Menschen je nach sexueller Orientierung ungleich seien. Dass Homosexuelle durch Angabe ihres Familienstands (verpartnert statt verheiratet) ihre gleichgeschlechtliche Orientierung offenlegen müssen, sei diskriminierend.
2 Welchen Anteil haben Gerichtsentscheidungen an der Gleichstellung Homosexueller?
Einen großen. Denn dass die EP und die Ehe so ähnlich geworden sind, dass nun die Ehe geöffnet wird, war auch schon auf Urteile zurückzuführen. Zwar war es die rotschwarze Koalition, die die EP ab 2010 per Gesetz einführte. 2013 entschied dann aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Homosexuelle das Kind ihres Partners adoptieren können müssen. In wei- terer Folge urteilte der VfGH 2014, dass lesbische Paare ein Recht auf Samenspenden haben. 2015 entschied der VfGH, dass das Adoptionsrecht homosexueller Paare nun auch bei fremden Kindern gelten müsse.
Nach dem jetzigen VfGH-Erkenntnis ist Österreich das einzige Land Europas, in dem die völlige Gleichstellung von Homo- und Heterosexuellen vom Verfassungsgericht und nicht von der Politik umgesetzt wurde.
3 Wer darf nun wann eine Ehe schließen oder eine Eingetragene Partnerschaft eingehen?
Für die beiden Frauen, die zum VfGH gingen, wirkt dessen Erkenntnis sofort. Sie können heiraten. Homosexuelle, die nicht geklagt haben, können die Ehe ab 2019 schließen. Bis dahin setzte der VfGH eine Übergangsfrist, damit sich die Politik überlegen kann, ob sie die Eingetragene Partnerschaft weiterhin anbieten will. Das Parlament könnte per einfachem Gesetz beschließen, dass die EP künftig niemand mehr eingehen darf, weil es ohnehin die Ehe für alle gibt. Unternimmt die Politik nichts, gilt die EP weiter. Laut dem VfGH-Erkenntnis aber dann ab 2019 auch als Möglichkeit für Partnerschaften zwischen Mann und Frau.
Die Gleichstellung zwischen Homo- und Heterosexuellen wäre nur noch per Verfassungsgesetz zu verhindern, und eine Zweidrittelmehrheit dafür ist auszuschließen.
4 Worin liegen die Unterschiede zwischen Ehe und Eingetragener Partnerschaft?
Die EP hat liberalere Regeln: So gibt es nach der Scheidung wegen Zerrüttung niedrigeren Unterhalt als nach einer Ehe. Und während Ehepartner ausnahmslos treu sein müssen, kann man sich bei der EP auch offenere Beziehungsregeln ausmachen. Die EP kennt keine Verlobung, und sie kommt auch nicht durch das Jawort, sondern erst durch Unterschrift zustande.
5 Welche rechtlichen Probleme könnte es bei der Umstellung von der EP auf die Ehe geben?
Niemand wird automatisch von der EP auf die Ehe umgestellt. Laut Ehegesetz müssten bisher verpartnerte Homosexuelle nun sogar erst ihre EP auflösen, bevor sie eine Ehe schließen können. Wie das in der Praxis von den Behörden genau gehandhabt werden wird, ist noch unklar. Auch hier könnte die Politik aber noch Klarstellungen treffen.
Die ÖVP erklärte, das VfGH-Erkenntnis zu akzeptieren. Die FPÖ warf der ÖVP vor, ein doppeltes Spiel betrieben zu haben. SPÖ, Neos und Liste Pilz freuten sich über den VfGH-Entscheid. Die Homosexuelleninitiative (Hosi) Wien fordert nun aber ein modernes Eherecht oder den Fortbestand der EP. Kardinal Christoph Schönborn findet das VfGH-Erkenntnis „beunruhigend“.