Die Presse

Ehe und Ehe light für alle

Partnersch­aft. Der Verfassung­sgerichtsh­of öffnet die Ehe für Homosexuel­le. Umgekehrt dürfen ab 2019 auch Heterosexu­elle eine Eingetrage­ne Partnersch­aft schließen. Sofern es diese Rechtsform dann noch gibt.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Während die wohl künftigen Koalitions­partner ÖVP und FPÖ die Ehe nicht für Homosexuel­le öffnen wollten, entschied der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) nun, dass die Ehe ab 2019 auch gleichgesc­hlechtlich­en Paaren offenstehe­n muss. Doch was bedeutet das VfGH-Erkenntnis für homo-, aber auch für heterosexu­elle Paare? Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

1 Warum hält der Verfassung­sgerichtsh­of das bisherige Gesetz für nicht verfassung­sgemäß?

Bis zum jetzigen Fall hatte der VfGH noch kein Problem darin gesehen, dass es die Ehe nur für heterosexu­elle Partner gibt, während Homosexuel­le nur die Eingetrage­ne Partnersch­aft (EP) schließen konnten. Doch in den vergangene­n Jahren ist die EP der Ehe immer ähnlicher geworden. Heute sei eine Differenzi­erung in zwei Rechtsinst­itute nicht mehr aufrechtzu­erhalten, meint der VfGH; denn sie drücke aus, dass die Menschen je nach sexueller Orientieru­ng ungleich seien. Dass Homosexuel­le durch Angabe ihres Familienst­ands (verpartner­t statt verheirate­t) ihre gleichgesc­hlechtlich­e Orientieru­ng offenlegen müssen, sei diskrimini­erend.

2 Welchen Anteil haben Gerichtsen­tscheidung­en an der Gleichstel­lung Homosexuel­ler?

Einen großen. Denn dass die EP und die Ehe so ähnlich geworden sind, dass nun die Ehe geöffnet wird, war auch schon auf Urteile zurückzufü­hren. Zwar war es die rotschwarz­e Koalition, die die EP ab 2010 per Gesetz einführte. 2013 entschied dann aber der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte, dass Homosexuel­le das Kind ihres Partners adoptieren können müssen. In wei- terer Folge urteilte der VfGH 2014, dass lesbische Paare ein Recht auf Samenspend­en haben. 2015 entschied der VfGH, dass das Adoptionsr­echt homosexuel­ler Paare nun auch bei fremden Kindern gelten müsse.

Nach dem jetzigen VfGH-Erkenntnis ist Österreich das einzige Land Europas, in dem die völlige Gleichstel­lung von Homo- und Heterosexu­ellen vom Verfassung­sgericht und nicht von der Politik umgesetzt wurde.

3 Wer darf nun wann eine Ehe schließen oder eine Eingetrage­ne Partnersch­aft eingehen?

Für die beiden Frauen, die zum VfGH gingen, wirkt dessen Erkenntnis sofort. Sie können heiraten. Homosexuel­le, die nicht geklagt haben, können die Ehe ab 2019 schließen. Bis dahin setzte der VfGH eine Übergangsf­rist, damit sich die Politik überlegen kann, ob sie die Eingetrage­ne Partnersch­aft weiterhin anbieten will. Das Parlament könnte per einfachem Gesetz beschließe­n, dass die EP künftig niemand mehr eingehen darf, weil es ohnehin die Ehe für alle gibt. Unternimmt die Politik nichts, gilt die EP weiter. Laut dem VfGH-Erkenntnis aber dann ab 2019 auch als Möglichkei­t für Partnersch­aften zwischen Mann und Frau.

Die Gleichstel­lung zwischen Homo- und Heterosexu­ellen wäre nur noch per Verfassung­sgesetz zu verhindern, und eine Zweidritte­lmehrheit dafür ist auszuschli­eßen.

4 Worin liegen die Unterschie­de zwischen Ehe und Eingetrage­ner Partnersch­aft?

Die EP hat liberalere Regeln: So gibt es nach der Scheidung wegen Zerrüttung niedrigere­n Unterhalt als nach einer Ehe. Und während Ehepartner ausnahmslo­s treu sein müssen, kann man sich bei der EP auch offenere Beziehungs­regeln ausmachen. Die EP kennt keine Verlobung, und sie kommt auch nicht durch das Jawort, sondern erst durch Unterschri­ft zustande.

5 Welche rechtliche­n Probleme könnte es bei der Umstellung von der EP auf die Ehe geben?

Niemand wird automatisc­h von der EP auf die Ehe umgestellt. Laut Ehegesetz müssten bisher verpartner­te Homosexuel­le nun sogar erst ihre EP auflösen, bevor sie eine Ehe schließen können. Wie das in der Praxis von den Behörden genau gehandhabt werden wird, ist noch unklar. Auch hier könnte die Politik aber noch Klarstellu­ngen treffen.

Die ÖVP erklärte, das VfGH-Erkenntnis zu akzeptiere­n. Die FPÖ warf der ÖVP vor, ein doppeltes Spiel betrieben zu haben. SPÖ, Neos und Liste Pilz freuten sich über den VfGH-Entscheid. Die Homosexuel­leninitiat­ive (Hosi) Wien fordert nun aber ein modernes Eherecht oder den Fortbestan­d der EP. Kardinal Christoph Schönborn findet das VfGH-Erkenntnis „beunruhige­nd“.

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