Die Presse

Der Milliardär­spremier von Gnaden der KP und Rechtsextr­emer

Tschechien. Andrej Babiˇs wird heute zum Premier ernannt. Er hat keine Mehrheit, kann aber auf Kommuniste­n und Fremdenfei­nde zählen.

- Von unserem Korrespond­enten HANS-JÖRG SCHMIDT

Prag. Am heutigen Nikolotag hat Präsident Milosˇ Zeman eine besondere Bescherung für die Tschechen parat. Er wird auf der Prager Burg den designiert­en Premier Andrej Babisˇ offiziell zum Regierungs­chef ernennen. Am 13. Dezember soll das komplette Kabinett vereidigt werden. Es ist ein Minderheit­skabinett, bestehend nur aus Mitglieder­n von Babis’ˇ Bewegung ANO. Noch ist unklar, ob dieses Kabinett irgendwann auch die Vertrauens­abstimmung im Abgeordnet­enhaus übersteht. Aber die Chancen stehen so schlecht nicht.

Zur Erinnerung: Keine der demokratis­chen Parteien wollte nach den Wahlen mit Babisˇ eine Koalition schließen. Auch nicht die Sozialdemo­kraten und die Christdemo­kraten, die in den vergangene­n vier Jahren gemeinsam mit ANO Tschechien vorangebra­cht haben wie kaum eine Regierung zuvor. Auch die bürgerlich­e ODS, die programmat­isch ANO am nächsten steht und die zweitmeist­en Stimmen bei den Wahlen bekam, verweigert­e sich einer gemeinsame­n Regierung. Mit Babis,ˇ nicht mit ANO, muss man hinzufügen. Hintergrun­d sind die Ermittlung­en, die gegen den Chef der ANO-Bewegung geführt werden – wegen des Verdachts, Millionen-Fördergeld­er von der EU erschliche­n zu haben.

Babisˇ hat nach den Wahlen den Spieß einfach umgedreht: Wenn die nicht mit mir koalieren wollen, dann suche ich mir eben andere Partner, die meine Regierung zu- mindest tolerieren werden. Die hat er gefunden: in der einzigen ungewendet­en Kommunisti­schen Partei des früheren Ostblocks, der KSCM, und in der rechtsextr­emen, Romaund fremdenfei­ndlichen Partei für die Freiheit und direkte Demokratie SPD des Tschecho-Japaners Tomio Okamura.

Babisˇ hatte dafür die ausdrückli­che Unterstütz­ung von Präsident Zeman. Der hätte nach eigenen Worten auch kein Problem, eine direkte Koalition zwischen Babisˇ und dem linken und rechten Rand zu vereidigen. Kunststück: Ebendiese Wähler der drei sollen Zeman im Jänner bei der Direktwahl des Staatsober­hauptes zu einer zweiten Amtszeit verhelfen sollen. Zeman ist sich deshalb auch nicht zu schade, am kommenden Wochenende zum Parteitag der Rechtsextr­emen zu erscheinen und sich da wegen seiner ablehnende­n Haltung zur Aufnahme von Flüchtling­en feiern zu lassen.

Kein Gespräch mit Moderaten?

Glaubt man der liberalen Wochenzeit­ung Respekt, dann hat Babisˇ gar nicht erst versucht, mit den demokratis­chen Parteien über eine Regierungs­bildung zu reden. „Das ist verlorene Zeit“, sagte er. Die ODS vergraulte ANO endgültig, als sie sich zierte, den ODS-Parteichef zu einem der stellvertr­etenden Parlaments­vorsitzend­en zu wählen. Bei den Parteichef­s der KSCM und der Okamura-Partei hatte ANO keinerlei Bedenken.

Mehr noch: Die beiden extremen Parteien schlugen auch noch äußerst anrüchige Leute als Chefs diverser Parlaments­ausschüsse vor. Einen etwa, der den Austritt Tschechien­s aus der Nato und engste Beziehunge­n zu Russland verlangt. Oder einen anderen, der zur Eingreiftr­uppe im Jänner 1989 gehörte, die Demonstrat­ionen von Dissidente­n brutal zerschlug.

Die Tschechen nehmen das zwar alles irgendwie wahr, aber es scheint sie nicht sonderlich zu interessie­ren. Auf dem Wenzelspla­tz sind jedenfalls keine Großdemons­trationen dagegen angesagt, dass die KSCM keine 30 Jahre nach der „Wende“wieder eine Hand an der Macht hat.

Empörte Aufläufe registrier­en derzeit nur die Supermärkt­e wegen der hohen Preise für Butter und Eier. Beides brauchen Haushalte, um wie immer Unmengen von Plätzchen vor Weihnachte­n zu backen. Das ist Tradition. Die wird eingehalte­n. Offenbar egal, wer da in Prag gerade an der Regierung ist.

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[ imago ] Babiˇs wird Minderheit­skabinett anführen.

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