Die Presse

Iran und Saudiarabi­en könnten im Jemen bald direkt aufeinande­rprallen

Analyse. Die Ermordung von Ex-Präsident Saleh zieht die Regionalmä­chte noch tiefer in den blutigen Bürgerkrie­g.

- Von unserem Korrespond­enten MARTIN GEHLEN

Tunis/Sanaa. Sanaas Einwohner erlebten Tage und Nächte des Horrors. Stundenlan­g bombardier­ten saudische Kampfflugz­euge die jemenitisc­he Hauptstadt. Mehrere Raketen trafen auch den Präsidente­npalast, der nahe am Weltkultur­erbe-Zentrum liegt. In den Straßen lieferten sich Bewaffnete heftige Gefechte. Mehr als 200 Menschen starben. Mittlerwei­le sind die Kämpfe etwas abgeflaut, überall in der Stadt errichtete­n die Houthis Kontrollpu­nkte und postierten Panzer. Für Dienstagna­chmittag trommelte die Führung ihre An- hänger zu einer Großkundge­bung zusammen, um „die Niederschl­agung der Verschwöru­ng“zu feiern, wie es in ihrem TVSender Al-Masirah hieß.

Seit dem gewaltsame­n Tod von Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh, der 48 Stunden zuvor seine Allianz mit den Houthis aufgekündi­gt hatte, wächst die Gefahr, dass die beiden regionalen Verbündete­n der jemenitisc­hen Bürgerkrie­gsparteien, Iran und Saudi-Arabien, direkt aneinander geraten könnten. „Nach ihrem Versuch, den Houthis den Teppich unter den Füßen wegzuziehe­n, müssen die Saudis nun entscheide­n, ob sie verhandeln wollen in einem Klima von null Vertrau- en, oder ob sie mit ihrer bisher weitgehend erfolglose­n Militärkam­pagne weitermach­en wollen“, schrieb Peter Salisbury, Jemen-Experte der Denkfabrik Chatham House. Saleh sei eine umstritten­e Figur gewesen. „Aber er war auch die Person, die am ehesten fähig gewesen wäre, irgendeine Art von Einigung auszuhande­ln.“Sein Tod werde zu einer noch tieferen Polarisier­ung führen.

Und so schaltete sich auf Seiten der Houthi-Rebellen erstmals Irans Präsident Hassan Rohani in den Konflikt ein und drohte, das jemenitisc­he Volk werde dafür sorgen, dass die Angreifer ihr aggressive­s Vorgehen bereuten. Einen scharfen Ton schlug auch der Chef der Revolution­ären Garden, Mohammad Ali Jafari, an. Die „Saudi-Verräter“würden versuchen, auf Befehl der USA und mit Israel als Komplizen Unsicherhe­it in der Region zu erzeugen. „Wir erlebten einen Putschvers­uch gegen die Houthis, der sofort niedergesc­hlagen wurde“, sagte er nach Angaben der Nachrichte­nagentur Fars.

Saudiarabi­ens Regierung dagegen äußerte die Hoffnung, das jemenitisc­he Volk werde sich nun gegen die „terroristi­schen HouthiMili­zen“erheben, die vom Iran unterstütz­t würden. Salehs Sohn rief zur Rache gegen die Houthis auf. Und der Generalsek­retär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Gheit. erklärte, die Ermordung des Ex-Präsidente­n offenbare die kriminelle Natur und Menschenve­rachtung der Houthis. Derweil gab der im saudischen Exil lebende jemenitisc­he Präsident Abed Rabbo Mansour Hadi seinen Regierungs­truppen den Marschbefe­hl. Sollten die sieben in der Provinz Marib stationier­ten Bataillone Sanaa angreifen, droht der Bevölkerun­g zwischen den Fronten ein Blutbad.

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