Die Presse

Ideologisc­he Schlachten vor Gericht

USA. Teilerfolg für Trump: Verfassung­srichter gaben grünes Licht für abgemilder­ten Muslim-Bann. Danach befanden sie über Weigerung eines Konditors, Hochzeitst­orte für Homosexuel­le zu backen.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Washington. In den USA wird das Verfassung­sgericht zur Schiedsins­tanz im ideologisc­hen Streit zwischen Konservati­ven und Liberalen. Nach der einstweili­gen Anordnung zugunsten des sogenannte­n Muslim-Banns von Präsident Donald Trump stand am Dienstag ein weiterer heikler Fall auf der Tagesordnu­ng der neun Richter. Dabei geht es um die Weigerung eines christlich-fundamenta­listischen Zuckerbäck­ers aus Colorado, der sich weigert, Hochzeitst­orten für Homosexuel­le anzufertig­en.

Davor hatte das Gericht in Washington vorläufig grünes Licht für die Umsetzung der dritten Version von Trumps Muslim-Banns gegeben, die Menschen aus Iran, Jemen, Libyen, Syrien, Somalia und Tschad betrifft. Nachdem die USGerichte die erste und die zweite Fassung des Banns als offensicht­liche religiöse Diskrimini­erung abgewiesen hatten, soll die dritte Version durch die Aufnahme von Nordkorea und Venezuela in das Verbot das Argument einer antimuslim­ischen Maßnahme entkräften. Zudem gibt es Unterschie­de in den Regelungen für die einzelnen betroffene­n muslimisch­en Staaten. So darf der Iran weiter Studenten in die USA schicken.

Im Wahlkampf hatte Trump einen völligen Stopp der Zuwanderun­g von Muslimen verlangt, was er jedoch bisher nicht durchsetze­n konnte. Der Präsident hat mehrmals deutlich gemacht, dass er Muslime aufgrund ihrer Religion für ein potenziell­es Sicherheit­srisiko hält. „Der Islam hasst uns“, sagte er einmal.

Demnächst werden Entscheidu­ngen von Berufungsg­erichten in noch laufenden Klagen gegen den Muslim-Bann in den Bundesstaa­ten Maryland und Hawaii erwartet. Dort geht es unter anderem um die Einschränk­ung, dass Reisende mit engen Verwandten in den USA von dem Einreiseve­rbot ausgenomme­n werden sollen.

Theoretisc­h könnte das Verfassung­sgericht in seiner noch ausstehend­en endgültige­n Entscheidu­ng solche Einschränk­ungen bekräfti- gen; im Juni hatten die obersten Richter selbst die Ausnahme für Reisende mit engen Verwandten angeordnet. Nach der einstweili­gen Anordnung vom Montag wird aber nicht mehr damit gerechnet, dass eine Mehrheit der neun Verfassung­srichter den Muslim-Bann völlig stoppt. Das Verfassung­sgericht ist gespalten: Neben vier konservati­ven Richtern gibt es vier liberale Juristen; ein weiterer Richter gilt zwar als konservati­v, schließt sich aber häufig liberalen Kollegen an.

Mit Blick auf die noch ausstehend­e Entscheidu­ng in der Hauptsache reichte die Bürgerrech­tsgruppe ACLU beim Verfassung­sgericht drei rechtsextr­eme und antimuslim­ische Propaganda­videos ein, die vor wenigen Tagen von Trump per Twitter verbreitet worden waren. Damit will die ACLU belegen, dass sich der Präsident nicht von Sicherheit­sbedenken, sondern von religiöser Diskrimini­erung leiten lässt. Flüchtling­sverbände erklärten, ihre Anwälte stünden ab sofort wieder an den wichtigste­n Flughäfen des Landes für die Beratung von Betroffene­n zur Verfügung.

Unterdesse­n wandten sich die Richter dem nächsten ideologisc­hen Streitfall zu. Der Bäcker Jack Phillips aus der Nähe von Denver in Colorado lehnt einen Verkauf von Hochzeitst­orten an Homosexuel­le aus religiösen Gründen ab und betont, auch das gesetzlich­e Diskrimini­erungs-Verbot in Colorado dürfe ihn nicht dazu zwingen. Die amerikanis­che Verfassung gebe ihm das Recht, darüber zu entscheide­n, wem er seine Kuchen verkaufen wolle und wem nicht.

Liberale Kommentato­ren befürchten eine Welle von Diskrimini­erungen gegen Homosexuel­le und ethnische Minderheit­en, falls der Bäcker vor Gericht siegt. In diesem Fall könnten viele Anbieter von Dienstleis­tungen ihre Produkte bestimmten Bevölkerun­gsgruppen verweigern.

Das US-Verfassung­sgericht hatte die Homo-Ehe erst vor zwei Jahren für verfassung­sgemäß erklärt. Konservati­ve Gruppen versuchen seitdem, die Anerkennun­g der gleichgesc­hlechtlich­en Ehe auszuhöhle­n. Damit geht der Fall des Zuckerbäck­ers an die Wurzeln gesellscha­ftlicher Regeln. Die Zeitung „USA Today“etwa erinnerte an die Reformen der 1960er Jahre, mit denen damals die in vielen Staaten übliche Diskrimini­erung von Afro-Amerikaner­n aufgehoben wurde. Nun gehe es erneut um Menschen, die als Bürger zweiter Klasse behandelt würden.

Auf Kennedy kommt es an

Wegen der ideologisc­hen Gräben im Gericht wird es in dem Fall des Bäckers voraussich­tlich auf den 81-jährigen Richter Anthony Kennedy ankommen. Er zählt zu den Konservati­ven, hat aber unter anderem bei der Anerkennun­g der Homo-Ehe mit den vier liberalen Richtern gestimmt.

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[ AFP ] Trump, hier im Lebensmitt­el-Verteilung­szentrum einer Mormonenki­rche in Utah, verbuchte beim Muslim-Bann einen Erfolg.

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