Ideologische Schlachten vor Gericht
USA. Teilerfolg für Trump: Verfassungsrichter gaben grünes Licht für abgemilderten Muslim-Bann. Danach befanden sie über Weigerung eines Konditors, Hochzeitstorte für Homosexuelle zu backen.
Washington. In den USA wird das Verfassungsgericht zur Schiedsinstanz im ideologischen Streit zwischen Konservativen und Liberalen. Nach der einstweiligen Anordnung zugunsten des sogenannten Muslim-Banns von Präsident Donald Trump stand am Dienstag ein weiterer heikler Fall auf der Tagesordnung der neun Richter. Dabei geht es um die Weigerung eines christlich-fundamentalistischen Zuckerbäckers aus Colorado, der sich weigert, Hochzeitstorten für Homosexuelle anzufertigen.
Davor hatte das Gericht in Washington vorläufig grünes Licht für die Umsetzung der dritten Version von Trumps Muslim-Banns gegeben, die Menschen aus Iran, Jemen, Libyen, Syrien, Somalia und Tschad betrifft. Nachdem die USGerichte die erste und die zweite Fassung des Banns als offensichtliche religiöse Diskriminierung abgewiesen hatten, soll die dritte Version durch die Aufnahme von Nordkorea und Venezuela in das Verbot das Argument einer antimuslimischen Maßnahme entkräften. Zudem gibt es Unterschiede in den Regelungen für die einzelnen betroffenen muslimischen Staaten. So darf der Iran weiter Studenten in die USA schicken.
Im Wahlkampf hatte Trump einen völligen Stopp der Zuwanderung von Muslimen verlangt, was er jedoch bisher nicht durchsetzen konnte. Der Präsident hat mehrmals deutlich gemacht, dass er Muslime aufgrund ihrer Religion für ein potenzielles Sicherheitsrisiko hält. „Der Islam hasst uns“, sagte er einmal.
Demnächst werden Entscheidungen von Berufungsgerichten in noch laufenden Klagen gegen den Muslim-Bann in den Bundesstaaten Maryland und Hawaii erwartet. Dort geht es unter anderem um die Einschränkung, dass Reisende mit engen Verwandten in den USA von dem Einreiseverbot ausgenommen werden sollen.
Theoretisch könnte das Verfassungsgericht in seiner noch ausstehenden endgültigen Entscheidung solche Einschränkungen bekräfti- gen; im Juni hatten die obersten Richter selbst die Ausnahme für Reisende mit engen Verwandten angeordnet. Nach der einstweiligen Anordnung vom Montag wird aber nicht mehr damit gerechnet, dass eine Mehrheit der neun Verfassungsrichter den Muslim-Bann völlig stoppt. Das Verfassungsgericht ist gespalten: Neben vier konservativen Richtern gibt es vier liberale Juristen; ein weiterer Richter gilt zwar als konservativ, schließt sich aber häufig liberalen Kollegen an.
Mit Blick auf die noch ausstehende Entscheidung in der Hauptsache reichte die Bürgerrechtsgruppe ACLU beim Verfassungsgericht drei rechtsextreme und antimuslimische Propagandavideos ein, die vor wenigen Tagen von Trump per Twitter verbreitet worden waren. Damit will die ACLU belegen, dass sich der Präsident nicht von Sicherheitsbedenken, sondern von religiöser Diskriminierung leiten lässt. Flüchtlingsverbände erklärten, ihre Anwälte stünden ab sofort wieder an den wichtigsten Flughäfen des Landes für die Beratung von Betroffenen zur Verfügung.
Unterdessen wandten sich die Richter dem nächsten ideologischen Streitfall zu. Der Bäcker Jack Phillips aus der Nähe von Denver in Colorado lehnt einen Verkauf von Hochzeitstorten an Homosexuelle aus religiösen Gründen ab und betont, auch das gesetzliche Diskriminierungs-Verbot in Colorado dürfe ihn nicht dazu zwingen. Die amerikanische Verfassung gebe ihm das Recht, darüber zu entscheiden, wem er seine Kuchen verkaufen wolle und wem nicht.
Liberale Kommentatoren befürchten eine Welle von Diskriminierungen gegen Homosexuelle und ethnische Minderheiten, falls der Bäcker vor Gericht siegt. In diesem Fall könnten viele Anbieter von Dienstleistungen ihre Produkte bestimmten Bevölkerungsgruppen verweigern.
Das US-Verfassungsgericht hatte die Homo-Ehe erst vor zwei Jahren für verfassungsgemäß erklärt. Konservative Gruppen versuchen seitdem, die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe auszuhöhlen. Damit geht der Fall des Zuckerbäckers an die Wurzeln gesellschaftlicher Regeln. Die Zeitung „USA Today“etwa erinnerte an die Reformen der 1960er Jahre, mit denen damals die in vielen Staaten übliche Diskriminierung von Afro-Amerikanern aufgehoben wurde. Nun gehe es erneut um Menschen, die als Bürger zweiter Klasse behandelt würden.
Auf Kennedy kommt es an
Wegen der ideologischen Gräben im Gericht wird es in dem Fall des Bäckers voraussichtlich auf den 81-jährigen Richter Anthony Kennedy ankommen. Er zählt zu den Konservativen, hat aber unter anderem bei der Anerkennung der Homo-Ehe mit den vier liberalen Richtern gestimmt.