Die Presse

Verwässert­e schwarze EU-Liste

Steueroase­n. Nur 17 Staaten und Territorie­n sind in den Augen der Finanzmini­ster in Steuersach­en unkooperat­iv. Die karibische­n Steuerpara­diese haben wegen der Wirbelstür­me Aufschub.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Der Berg hat gekreißt, doch nur ein Mäuslein geboren: die lange angekündig­te und mit großer Spannung erwartete erste eigene EU-Liste mit steuerlich unkooperat­iven Staaten und Territorie­n ist kürzer als angenommen und enthält wesentlich­e Lücken. Nur 17 Namen finden sich auf dem Dokument, dass die 28 nationalen Finanzmini­ster am Dienstag bei ihrem Ratstreffe­n in Brüssel beschlosse­n. Es sind dies Bahrain, Barbados, Grenada, Guam, Macau, die Marschall-Inseln, Mongolei, Namibia, Palau, Panama, Samoa, Amerikanis­ch-Samoa, St. Lucia, Südkorea, Trinidad und Tobago, Tunesien sowie die Vereinigte­n Arabischen Emirate.

Die hier genannten Staaten und Territorie­n sind nach Ansicht der Union in Steuerfrag­e nicht kooperativ, weil sie zum Beispiel keinen automatisc­hen Austausch von Daten mit den europäisch­en Finanzbehö­rden erlauben oder schädliche Steuerbevo­rzugungen gewähren. Jährlich soll diese Liste nun überprüft werden. Wer ihr angehört, soll keine Entwicklun­gshilfe mehr aus Europa erhalten, nicht an Finanzieru­ngsprojekt­en der Europäisch­en Investitio­nsbank teilnehmen dürfen, und EU-Unternehme­n, die dorthin Verbindun- gen haben, dürfen mit häufigeren Steuerprüf­ungen rechnen.

47 weitere Staaten und Territorie­n haben sich dazu verpflicht­et, die Kritikpunk­te der Union an ihren Steuersyst­emen anzusprech­en. Sie sind deshalb nicht auf der „schwarzen“, sondern vorerst nur auf der „grauen“Liste der Europäer. In vielen Fällen geht es hierbei bloß darum, einem OECDAbkomm­en über gegenseiti­ge Verwaltung­shilfe beizutrete­n, entweder schon im nächsten Jahr oder spätestens 2019. Das ist zum Beispiel bei Katar, Taiwan, Hongkong, Peru, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowin­a der Fall. Die Türkei wiederum versprach darüber hinaus, bis 2019 den automatisc­hen Informatio­nsaustausc­h mit den europäisch­en Steuerbehö­rden einzuführe­n.

Wolfgang Kos, ehemaliger Direktor des Wien-Museums

Aus für karibische Briefkäste­n

Im Zuge der Reihe an Enthüllung­en über die Geldversch­iebeprakti­ken von Konzernen und reichen Einzelpers­onen, die unter Schlagwört­ern wie LuxLeaks oder Panama Papers um den Erdball ras- ten, ist die Selbstverp­flichtung von Bermuda, den Kaimaninse­ln, Guernsey, Jersey, der Isle of Man und Vanuatu besonders interessan­t. Sie verspreche­n, im Laufe des kommenden Jahres alle Steuerkons­truktionen abzuschaff­en, die „Gewinne ohne echte wirtschaft­liche Aktivität anziehen“, wie es im Beschluss der Finanzmini­ster heißt. Es geht hier also um das Geschäfts mit Briefkaste­nfirmen, welches, soferne die Union darauf besteht, dass dieses Verspreche­n eingehalte­n wird, schon bald geschlosse­n werden könnten.

Das ändert allerdings nichts daran, dass die Liste mehrere wesentlich­e Mängel hat. So gilt zum Beispiel der Umstand, dass ein Land einen Körperscha­ftsteuersa­tz von null Prozent hat, nicht als problemati­sche Steuerprax­is. De facto jedoch zeichnet genau diese Steuerfrei­heit Steueroase­n aus. Diskutabel ist auch der Aufschub, den mehrere berüchtigt­e karibische Steuerpara­diese für die Umsetzung ihrer Verspreche­n erhalten haben. Das Überprüfun­gsverfahre­n der EU solle für jene Staaten und Territorie­n gestoppt werden, die in der jüngsten Wirbelstur­msaison besonders hart getroffen wurden. Das sind Anguilla, Antigua und Barbuda, die Bahamas, die Britischen Jungfernin­seln, Dominica, Saint Kitts and Nevis, die Turks and Caicos Islands sowie die US-Jungfernin­seln. Erst im Februar nächsten Jahres werde die für Steueroase­n zuständige Fachgruppe der Finanzmini­ster wieder Kontakt mit ihnen aufnehmen, um zu schauen, ob sie im Laufe des Jahres von ihren geächteten Praktiken Abstand zu nehmen geneigt sind.

Vor langer Zeit hörte ich im Ö1-„Morgenjour­nal“ein Statement von Peter Handke, in dem er Schönheit einfordert­e. Den genauen Zusammenha­ng habe ich nicht mehr präsent, doch ich weiß noch, wie provokant mir das vorkam. Das war damals, als mich Reiseführe­r Handke zu Tankstelle­n am Stadtrand führte und mich darin bestärkte, auch im zivilisato­rischen Ödland Sensatione­n zu entdecken.

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