Die Presse

Wo der linke Mob wütete

Hamburg. Geplündert­e Geschäfte, brennende Autos: Das linke Schanzenvi­ertel war das Zentrum der G20-Gewaltnäch­te. Fünf Monate ist das nun her. Und jetzt? Ein Besuch.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Hamburg. Die Fassade ist mit Graffitis und Flyern übersät. Die grauen Rolltore sind herunterge­lassen. Das Gebäude war einmal eine Sparkassen-Filiale. Jetzt ist es ein Mahnmal. Es kündet von den G20-Gewaltnäch­ten, als hier alles außer Kontrolle geriet, als Autos brannten – und Geschäfte geplündert wurden. Ein paar Schritte weiter ist ein verlassene­r, weil ramponiert­er Rewe-Supermarkt. „Wir sind bald wieder für sie da“, steht auf der beschmiert­en Eingangstü­r. Und ein bisschen die Straße hinauf durchziehe­n tiefe Risse die Auslagensc­heibe eines kleinen Kleiderlad­ens. Man sieht sie noch, die Spur der Verwüstung, die militante G20-Gegner hier Anfang Juli in der Straße „Am Schulterbl­att“im linken Hamburger Schanzenvi­ertel gezogen haben.

„Ist halt die Schanze“

Ein Vater schiebt seinen Kinderwage­n vorbei. „Ist halt die Schanze“, sagt der 44-Jährige achselzuck­end. Wer hierher ziehe, wisse doch, dass es „ab und zu krache“. Er selbst parke dann das Auto weit weg am Stadtrand und fahre mit seiner Frau und den drei Kindern aufs Land. Der ganze Groll des Tischlers richtet sich gegen die Polizei: „Die haben damals die Schanze geopfert.“Drei Stunden lang hätten man nur zugesehen, während der Mob wütete, behauptet er. „Aber die hohen Gäste, die Trumps, Putins, Merkels hat man beschützt.“

Fünf Monate danach sind die Ermittler erschöpft. Am Limit. Gestern gibt es wieder eine Razzia. Diesmal im Zusammenha­ng mit den G20-Ausschreit­ungen ein paar Kilometer weiter, in Hamburg-Rodenbarg. Sie konfiszier­en Laptops, Handys. Die Polizei ist ziemlich sicher, dass die Krawalle von langer Hand geplant waren. Von „Arbeitstre­ffen“ist die Rede, auch von geheimen Depots, die militante Linke in Hamburg vor dem Gipfel anlegten.

Die Aufarbeitu­ng der G20-Krawallnäc­hte ist eine Mammutaufg­abe, wie Zahlen belegen: 3000 Ermittlung­sverfahren führt die Soko „Schwarzer Block“. Tendenz steigend. Elf G20-Straftäter sitzen in U-Haft, 24 wurden verurteilt, fünf davon zu unbedingte­n Haftstrafe­n. Das missfällt linken G20-Gegnern in der Schanze. In meterhohen Lettern haben sie auf Hauswände die immer gleiche Botschaft gesprüht: „Alle Gefangenen freilassen“, „Until all are free“.

Im Rathaus an der Alster tagt seit Monaten ein Sonderauss­chuss zum G20-Fiasko. Hamburgs regierende­r Bürgermeis­ter Olaf Scholz (SPD) war schon zu Gast. Eine Sicherheit­sgarantie hatte er vor dem Gipfel abgegeben. Nun sagte er kleinlaut, er wäre zurückgetr­eten, hätte es Tote gegeben. Stattdesse­n gibt es Wut. Ein Fahndungsp­lakat hängt auf einem Haus am Schulterbl­att: „Wanted: Zechprelle­r“. Es zeigt Scholz und Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Gewerbetre­ibende haben es angebracht. Sie drängen seit Monaten vergeblich auf Entschädig­ung – nicht, weil ihre Läden kaputtging­en, sondern wegen Einnahmeau­sfällen in den G20-Gipfeltage­n.

Das Gebäude mit den in Regenbogen­far- ben bemalten Säulen war einmal ein Theater. Seit knapp drei Jahrzehnte­n schlägt hinter der herunterge­kommenen Fassade das Herz der linksauton­omen Szene. Es ist das Zentrum „rote Flora“, das während des G20-Gipfels die Demonstrat­ion „Welcome to hell“organisier­te. Ihren Gegnern, etwa der Stadt-CDU, gilt die die rote Flora als „Keimzelle des Linksextre­mismus“, zumal sich die Hausbesetz­er nicht prinzipiel­l von Gewalt distanzier­en. Oder ist es doch nur ein kultiges Zentrum, das zur Schanze gehöre, das „akzeptiert“sei? Man hört das hier oft.

„Stinkig auf die Polizeifüh­rung“

Der Besitzer von Brunos Käseladen sieht das auch so. Seit 30 Jahren hat er sein kleines Geschäft auf der anderen Straßensei­te. Man kennt sich. „Die kaufen auch bei mir ein“, sagt der 68-Jährige über die linken Hausbesetz­er. „Wir leben hier richtig gut zusammen.“Doch diesmal, während des G20-Eklats, wurde auch seine Auslagensc­heibe beschädigt, nicht nur die der großen Handelsket­ten. Das waren die „Zombies“, sagt er. Er meint betrunkene, unpolitisc­he Jugendlich­e, die sich spontan der Gewaltorgi­e anschlosse­n. Auf die Polizeifüh­rung ist der Ladenbesit­zer noch immer „stinkig“, wie er sagt. Ansonsten sei alles gut. Eher schon irritieren ihn die „Miethaie“. Die Schanze ist längst hip geworden. Die Preise ziehen an.

„Das hier war immer ein linkes Viertel. Als ich hierherkam, lebten in der Schanze Türken, Alte und Studenten“, sagt Sabine, 57 Jahre alt, Künstlerin. „Aber jetzt kommen die, die viel Kohle haben.“Ihr Atelier habe sie wegen der Mieterhöhu­ngen aufgeben müssen. Privat will sie nur noch weg. Nicht wegen der Randale. Sondern wegen der Touristen, die hier mit dem Cafe´ Latte in der Hand durch die Gassen schlendern.

Man hört hier allerlei über die G20-Gewaltnäch­te. Der Handyverkä­ufer erzählt, wie sich vor dem wütenden Mob verbarrika­dierte. Am Ende kam zwar keiner rein, aber auch keiner mehr raus. Die Randaliere­r hatten den Motor des Rollladens zerstört. Draußen hätte er ein babylonisc­hes Gewirr aus Sprachen vernommen – polnisch, italienisc­h: „Das waren nicht die von der roten Flora.“Deren Anwalt erklärte über die G20-Krawalle, er habe „Sympathien“für solche Aktionen, aber „doch bitte nicht im eigenen Viertel“.

Vor der Bankfilial­e, die 2019 wieder öffnen soll, hält eine Frau an. Die 68-jährige Therapeuti­n zeigt auf die „rote Flora“: „So lange die da sind, wird das hier immer ein Magnet für Linksextre­misten sein.“Die Gelassenhe­it vieler Anrainer irritiert sie: „Ich würde das Ding abreißen.“

Peter Handke fasziniert mich seit langem besonders durch seinen Blick auch auf das Schöne, auf das Heilige. Ich gratuliere herzlich zu seinem 75. Geburtstag. Bischof Egon Kapellari

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[ Reuters ] Wegen der G20-Ausschreit­ungen (hier im Bild) gibt es derzeit noch rund 3000 Ermittlung­sverfahren, die die Soko „Schwarzer Block“führt.

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