„Leidensdruck ist nicht groß genug“
Parken. Verkehrsplaner Georg Hauger über das umstrittene Öffnen von Anrainerparkplätzen, das Modell „Buchen statt suchen“und Autos, die sich irgendwann autonom einparken werden.
Wien. Der ewige Streit um die Parkplätze wird hitzig. Vor ein paar Tagen hat in Ottakring einer seine Waffe gezogen, weil sich ein anderer auf den Parkplatz stellen wollte, den ersterer für seinen Wagen auserkoren hatte. Politischen laufen die Debatten friedlicher. Da geht es jüngst etwa ums Anrainerparken in der Inneren Stadt. Die Stadt will, dass dort Parkplätze, die exklusiv Bewohnern des Ersten zur Verfügung stehen, zwischen acht und 16 Uhr für die Allgemeinheit geöffnet werden. Maria Vassilakou (Grüne) hatte argumentiert, die Parkplätze würden tagsüber nicht gebraucht.
Der Bezirk wehrt sich, immerhin seien diese 1540 Anrainerparkplätze ausgelastet, heißt es. Georg Hauger, Verkehrsplaner an der TU Wien, hält diese Idee, die Öffnung der Anrainerparkplätze für den falschen Weg. Zweifellos gebe es in der Innenstadt weniger Parkplätze als Interessenten dafür. Mehr Plätze in Kurzparkzonen zu schaffen verschärfe das Problem, diese würden Autoverkehr erst anziehen.
Seine Empfehlung ist es nicht, möglichst viele Parkplätze zur Verfügung stehen, sondern diese besser zu nutzen: „Die Anrainerparkplätze zu reduzieren ist nicht sinnvoll, eine Stadt ohne Anrainer will niemand.“In der großen Frage, wie mit Platz in der Stadt umgegangen wird, ist der Kampf um jeden einzelnen Stellplatz ohnehin Firlefanz. In der Zukunft wird es um intelligente Systeme gehen: „Die Zukunft liegt im Bereich der intelligenten Transportsysteme. Technologien und Sensoriken gibt es schon, mit deren Hilfe man Parkplätze via App buchen kann, statt lang zu suchen. Die Technologien sind längst soweit. Aber wie man in Wien sieht, spießt es sich an unterschiedlichen Interessen“, sagt Hauger. Alle be- anspruchen Flächen: Anrainer, Besucher, Fiaker, Touristiker, Wirtschaftsverkehr, Radfahrer. Noch wird mit intelligenten Systemen erst experimentiert, in Parkhäusern etwa sind sie schon etabliert.
Auslaufmodell Kurzparkzone
Bis diese Anlagen – Sensoren könnten etwa auf Ampeln montiert sein – kommen, dürfte es dauern. Kurzfristigere Lösungen wären etwa speziell ausgewiesene Bereiche, in denen digitale Verkehrszeichen signalisieren, wer hier gerade wie lange halten darf. Ein anderer kurzfristigerer Ansatz: Man könnte, um den Parkplatzsuche-Verkehr ebenso wie illegales Halten von Paketdiensten einzuschränken, für den Wirtschaftsverkehr Flächen reservieren. „Die sollte man dezent von Kurzparkzonen abzwacken, nicht von Anrainerparkplätzen. Klassische Kurzparkzonen sind in Zukunft ohnehin eine Ausnahme im Zentrum.“Noch sei es zu attraktiv, in die Innenstadt zu fahren. Das zeige auch ein Preiskampf der Garagenbetreiber rund um den ersten Bezirk. „Hier gibt es Leerstände. Der Leidensdruck der Autofahrer ist nicht groß genug, man kreist lieber, weil man ohnehin einen Platz in der Kurzparkzone findet.“
Die Modelle zur Steuerung sind Zwischenlösungen, bis Autos autonom unterwegs sind und sich selbst parken. Autohersteller versuchen bereits, Parkhäuser zu etablieren, bei denen man das Auto am Eingang stehen lässt und es sich selbst parkt. „Wann das kommt? Da streiten sich die Gelehrten. Der gelernte Wiener weiß: So schnell nicht. Vor 2030 werden keine vollautonomen Autos durch Städte fahren. Carsharing wird noch boomen, aber der PKW im Privatbesitz wird nicht verschwinden.“Bis auf weiteres gehen die Platz-Verteilungskämpfe also weiter.