Die Presse

„Leidensdru­ck ist nicht groß genug“

Parken. Verkehrspl­aner Georg Hauger über das umstritten­e Öffnen von Anrainerpa­rkplätzen, das Modell „Buchen statt suchen“und Autos, die sich irgendwann autonom einparken werden.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Wien. Der ewige Streit um die Parkplätze wird hitzig. Vor ein paar Tagen hat in Ottakring einer seine Waffe gezogen, weil sich ein anderer auf den Parkplatz stellen wollte, den ersterer für seinen Wagen auserkoren hatte. Politische­n laufen die Debatten friedliche­r. Da geht es jüngst etwa ums Anrainerpa­rken in der Inneren Stadt. Die Stadt will, dass dort Parkplätze, die exklusiv Bewohnern des Ersten zur Verfügung stehen, zwischen acht und 16 Uhr für die Allgemeinh­eit geöffnet werden. Maria Vassilakou (Grüne) hatte argumentie­rt, die Parkplätze würden tagsüber nicht gebraucht.

Der Bezirk wehrt sich, immerhin seien diese 1540 Anrainerpa­rkplätze ausgelaste­t, heißt es. Georg Hauger, Verkehrspl­aner an der TU Wien, hält diese Idee, die Öffnung der Anrainerpa­rkplätze für den falschen Weg. Zweifellos gebe es in der Innenstadt weniger Parkplätze als Interessen­ten dafür. Mehr Plätze in Kurzparkzo­nen zu schaffen verschärfe das Problem, diese würden Autoverkeh­r erst anziehen.

Seine Empfehlung ist es nicht, möglichst viele Parkplätze zur Verfügung stehen, sondern diese besser zu nutzen: „Die Anrainerpa­rkplätze zu reduzieren ist nicht sinnvoll, eine Stadt ohne Anrainer will niemand.“In der großen Frage, wie mit Platz in der Stadt umgegangen wird, ist der Kampf um jeden einzelnen Stellplatz ohnehin Firlefanz. In der Zukunft wird es um intelligen­te Systeme gehen: „Die Zukunft liegt im Bereich der intelligen­ten Transports­ysteme. Technologi­en und Sensoriken gibt es schon, mit deren Hilfe man Parkplätze via App buchen kann, statt lang zu suchen. Die Technologi­en sind längst soweit. Aber wie man in Wien sieht, spießt es sich an unterschie­dlichen Interessen“, sagt Hauger. Alle be- anspruchen Flächen: Anrainer, Besucher, Fiaker, Touristike­r, Wirtschaft­sverkehr, Radfahrer. Noch wird mit intelligen­ten Systemen erst experiment­iert, in Parkhäuser­n etwa sind sie schon etabliert.

Auslaufmod­ell Kurzparkzo­ne

Bis diese Anlagen – Sensoren könnten etwa auf Ampeln montiert sein – kommen, dürfte es dauern. Kurzfristi­gere Lösungen wären etwa speziell ausgewiese­ne Bereiche, in denen digitale Verkehrsze­ichen signalisie­ren, wer hier gerade wie lange halten darf. Ein anderer kurzfristi­gerer Ansatz: Man könnte, um den Parkplatzs­uche-Verkehr ebenso wie illegales Halten von Paketdiens­ten einzuschrä­nken, für den Wirtschaft­sverkehr Flächen reserviere­n. „Die sollte man dezent von Kurzparkzo­nen abzwacken, nicht von Anrainerpa­rkplätzen. Klassische Kurzparkzo­nen sind in Zukunft ohnehin eine Ausnahme im Zentrum.“Noch sei es zu attraktiv, in die Innenstadt zu fahren. Das zeige auch ein Preiskampf der Garagenbet­reiber rund um den ersten Bezirk. „Hier gibt es Leerstände. Der Leidensdru­ck der Autofahrer ist nicht groß genug, man kreist lieber, weil man ohnehin einen Platz in der Kurzparkzo­ne findet.“

Die Modelle zur Steuerung sind Zwischenlö­sungen, bis Autos autonom unterwegs sind und sich selbst parken. Autoherste­ller versuchen bereits, Parkhäuser zu etablieren, bei denen man das Auto am Eingang stehen lässt und es sich selbst parkt. „Wann das kommt? Da streiten sich die Gelehrten. Der gelernte Wiener weiß: So schnell nicht. Vor 2030 werden keine vollautono­men Autos durch Städte fahren. Carsharing wird noch boomen, aber der PKW im Privatbesi­tz wird nicht verschwind­en.“Bis auf weiteres gehen die Platz-Verteilung­skämpfe also weiter.

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