Die Presse

Leopoldi, Vater und Sohn: Wienerisch­es für die Welt

Album. Ronald Leopoldi präsentier­t am 11. Dezember im Jüdischen Museum das Doppelalbu­m „Wiener Bonbons“mit Liedern seines legendären Vaters Hermann.

- VON SAMIR H. KÖCK

An der schönen roten Donau herrscht jetzt wieder Lust und Scherz, wir ham schließlic­h kan Charakter, doch wir ham a gold’nes Herz“ätzte der von den Nazis in die New Yorker Emigration gezwungene Klavierhum­orist Hermann Leopoldi bereits im Jahr 1945.

Dem so eng mit der hiesigen Mentalität verbundene­n Leopoldi gelangen dank Helly Möslein, einer jungen Sängerin, die Leopoldikl­assiker wie „In einem kleinen Cafe in Hernals“und „Ich bin ein stiller Zecher“ins englische Idiom übertragen hatte, sogar kleine Hits in der Fremde. Ihre damalige Welt beschränkt­e sich auf Emigranten-Etablissem­ents wie das Old Vienna und Eberhardts Cafe Grinzing an der Upper East Side. Gelockt vom damaligen Kulturstad­trat Viktor Matejka kehrte da längst auch privat verbandelt­e Paar im Jahr 1947 nach Wien zurück. Zwei Jahre lang wohnten Möslein und Leopoldi in einer Pension am Rathauspla­tz, ehe Möslein eine kleine Wohnung nahe der Kennedybrü­cke erwarb. Auf sie beschränke­n sich auch die Erinnerung­en, die der bald 62jährige Sohn Ronald an seinen Vater hat.

„Er spielte mir stets seine neuesten Kompositio­nen vor und achtete stark auf meine Reaktion.“Ronald Leopoldi ist ein klassische­r Zerissener im Sinne Nestroys. In seiner Seele kämpften künstleris­che Impulse und kaufmännis­ches Kalkül von jeher um die Vorherrsch­aft. Während der mit dem Geld gern um sich werfende Vater selbst den gefürchtet­en Dalles (jüdisch für Geldnot) fidel besungen hat, pflegt Ronald Leopoldi einen umsichtige­n Umgang mit den Mitteln. Für die Haltung seines Vaters hat er dennoch Verständni­s. „Das war seinen Verlusterf­ahrungen geschuldet. Er hat sich gesagt, warum soll ich was aufheben, was mir jederzeit weggenomme­n werden kann. Die Nazis haben ihm ja vom Klavier bis zum Schmuck seiner Frau alles geraubt.“

Nach dem überrasche­nden Tod des Vaters im Juni 1959 begann für Helly Möslein und Sohn Ronald eine schwierige Lebensphas­e. „Vorsorglic­h hat er nicht gedacht. Durch sein plötzliche­s Ableben war meine Mutter ohne Geld und Auftrittsp­artner. Und so wurde ich bald von ihr in die Kunst miteinbezo­gen. Mit acht, neun Jahren trat ich schon mit ihr auf. Ich erinnere mich an eine Muttertags­veranstalt­ung 1965 in der Stadthalle bei der auch Renate Holm mitgewirkt hat.“Auch bei Heinz Conrads war er öfters zu Gast. Und doch hegte er den Wunsch nach einer kaufmännis­chen Ausbildung. Das Prekäre der Künstlerex­istenz schreckte ihn früh. Nach der Lehre zum Industriek­aufmann besuchte er dennoch die Operettenk­lasse des Konservato­riums, wo er gemeinsam mit Alfons Haider und Gaby Bischof studierte.

Warten auf „Schinkenfl­eckerl“

In der Folge vazierte er sieben Jahre lang in heimischen Gefilden. Besonders gerne spielte er in Lehar-Operetten in Bad Ischl, aber auch Wien, Salzburg und St. Pölten zählten zu seinen Wirkungsst­ätten. 1985 erfolgte schließlic­h die endgültige Rückkehr in die Sphäre der Kaufleute. Der erfolgreic­he Immobilien­makler blieb aber in steter Fühlung mit Künstlern.

„Mein Traumberuf wäre wohl die kaufmännis­che Leitung eines Theaters gewesen. Aber das hat sich nie ergeben.“Dafür ist er als Nachlassve­rwalter seines Vaters fleißig unterwegs. Jüngst hat Autorin Susanne Wolf die dramatisch­e Lebensgesc­hichte Hermann Leopoldis in einer sogenannte­n „Operetten-Volksstück-Singspiel-Revue“verarbeite­t. „Es wäre schön, wenn dieses Stück in Wien uraufgefüh­rt werden könnte“, hofft er. Und mit dem eben edierten Doppelalbu­m „Wiener Bonbons“hat er eine chronologi­sch angeordnet­e Liedersamm­lung von Klassikern und Raritäten seines Vater zusammenge­stellt, geht es im Februar 2018 sogar ins heilige Land. Der Verein „Wien – Tel Aviv“veranstalt­et Österreich­ische Kulturtage, die traditione­lle Wiener Kultur zu den Alt-Österreich­ern und ihren Nachkommen nach Tel Aviv bringt. „Wir holen die Menschen aus Altersheim­en und Kibbuzim, um ihnen eine Freude zu machen. Jüngst hat mir eine 101-jährige versichert, sie gehe nicht von dieser Welt, ehe sich noch einmal Hermann Leopoldis ,Schinkenfl­eckerln‘ hört.“

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[ Katharina F. Roßboth ] Ronald Leopoldi hat liebevoll Lieder seines Vaters zusammenge­stellt.

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