Die Presse

Wie lange will die Eurozone weiterwurs­teln?

Gemeinscha­ftswährung ohne gemeinsame Linie - das funktionie­rt nicht.

- Josef.urschitz@diepresse.com

J etzt startet der nächste Versuch: Die EU-Kommission legt heute, Mittwoch, neue Vorschläge für die Vertiefung der Eurozone vor. Die werden wohl auf eine weitere Kompetenzv­erschiebun­g von den Nationalst­aaten Richtung Brüssel hinauslauf­en. Und die Reaktionen im Vorfeld zeigen, dass weder die Regierunge­n noch die Bevölkerun­gen der EU-Länder große Lust haben, da mitzuziehe­n.

Es ist also weiter niemand wirklich bereit, der Realität ins Auge zu blicken. Die lautet: Die Eurozone ist nach all den Jahren noch immer nicht viel mehr als die gute alte Montan Union, ein bisschen erweitert halt. Ein Wirtschaft­sbündnis auf Basis der vier Grundfreih­eiten, das seinen Mitglieder­n unbestreit­bar wirtschaft­liche Vorteile bringt und friedenssi­chernd wirkt.

Sehr schön, aber für eine Gemeinscha­ftswährung ist das entschiede­n zu wenig. Die braucht eine gemeinsame politische Linie und vor allem eine gemeinsame Fiskalpoli­tik. Mit Abkommen, die – auch von Österreich – permanent sanktionsl­os gebrochen werden, wie etwa dem Maastricht­Vertrag oder dem Stabilität­spakt, lässt sich auf Dauer kein Staat machen. Und schon gar keine Währung. W enn es jetzt Bestrebung­en gibt, den europäisch­en Rettungssc­hirm ESM zu einer Art Euro-Währungsfo­nds umzuwandel­n und aus dem Eurogruppe­nchef einen Euro-Finanzmini­ster zu machen, dann ist das in der Theorie also nur logisch.

In der Praxis wird aber ein Euro-Finanzmini­ster ohne echtes, politisch abgesicher­tes Durchgriff­srecht gleich zahnlos sein wie die Verträge, die diese Rolle bisher auch nicht ausfüllen konnten. So lange jedes Mitgliedsl­and konsequenz­enlos nach Belieben fuhrwerken kann, ist die weitere Vergemeins­chaftung ein Hochrisiko für die, die ihre Finanzen in Ordnung haben.

Genau diese notwendige Vertiefung der politische­n Union, also der entscheide­nde Schritt in Richtung Vereinigte Staaten von Europa, ist derzeit aber weder in der Politik noch in der Bevölkerun­g mehrheitsf­ähig. Da wird man sich einmal entscheide­n müssen, was man wirklich will. Bevor Europa ganz in der Bedeutungs­losigkeit versinkt.

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