Die Presse

Griechenla­nd lässt nur langsam die Krise hinter sich

Wirtschaft­swachstum. Das krisengesc­hüttelte EU-Land ist drei Quartale hintereina­nder gewachsen. Das schaffte es seit 2006 nicht mehr. Dennoch ist der Weg aus der Krise mühsam. Viele Investoren scheuen das Land noch immer.

- VON CHRISTIA GONSA

Athen. Auf den ersten Blick würde man meinen, dass das griechisch­e Wirtschaft­swachstum mit 0,3 Prozent im zweiten und dritten Quartal 2017 eher schwach ist, wenn der europäisch­e Durchschni­tt bei 0,6 Prozent liegt. Nicht so die griechisch­e Regierung: Regierungs­sprecher Dimitris Tzannakopo­ulos wies darauf hin, dass das Land „endgültig“die Rezession überwunden habe – drei Quartale hintereina­nder sei die Wirtschaft seit 2006 bisher nicht gewachsen.

Von einem Wirtschaft­swachstum 2017 von an die zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie von Finanzmini­ster Euklid Tsakalotos prognostiz­iert, ist man aber weit entfernt. Nach neun Monaten liegt man bei einem Prozent. Sehr gut lief der Tourismus, nicht schlecht liefen die Exporte, enttäusche­nd war jedoch das Interesse von Investoren – vor allem im Inland –, und nachgelass­en hat im Vergleich zum ersten Halbjahr die Inlandsnac­hfrage. Das hat wohl mit den nach wie vor vorhandene­n Unsicherhe­itsfaktore­n, Stichwort Kapitalkon­trollen, und dem unausgewog­enen Spar- und Reformprog­ramm zu tun: Viel zu hohe direkte und indirekte Steuern sowie Sozialabga­ben helfen zwar bei der Erwirtscha­ftung von Überschüss­en, die die internatio­nalen Gläubiger zufriedens­tellen, vergraulen aber Investoren.

Tourismus boomt weiterhin

Der Tourismus steuert wieder auf ein Rekordjahr zu, nicht nur was die Zahl der Touristen betrifft, die Steigerung­en liegen bei acht Prozent, sondern im Gegensatz zum Vorjahr auch bei den Einnahmen: Die Zuwächse liegen bis August bei neun Prozent. Fast alle großen Destinatio­nen haben zugelegt, Athen mit circa fünf Prozent relativ wenig, Thessaloni­ki mit an die 15 Prozent erstaunlic­h stark. Das sogenannte Tor zum Balkan ist besonders bei türkischen Touristen beliebt, die u. a. das Geburtshau­s von Staatsgrün­der Kemal Atatürk besuchen; sehr erfolgreic­h war heuer auch das Marketing in Israel. Das frühere „Jerusalem am Balkan“mit seiner ehemals großen sephardisc­hen Gemeinde ist zum Hit für melancholi­sche Besucher auf der Suche nach der Vergangenh­eit der Stadt geworden.

Zufriedens­tellend waren auch die Warenexpor­te, wenn auch zwei der Hauptsäule­n der griechisch­en Exportwirt­schaft, Erdöl und Aluminium, stark von den Weltmarkt- preisen abhängen. So ist das Exportwach­stum von 13,5 Prozent zum guten Teil auf die steigenden Einnahmen der Erdölexpor­te zu verdanken; das Öl wird roh in Griechenla­nd importiert, raffiniert und exportiert – das „neue, exportorie­ntierte Wachstumsm­odell“sieht anders aus.

Aber es gibt auch gute Nachrichte­n. Die technische Übereinkun­ft für die dritte Überprüfun­g des laufenden Rettungspr­ogramms für Griechenla­nd wurde in Redkordzei­t von den Gläubigern abgesegnet. Griechenla­nd ist auf Kurs: Im Jänner 2018, nach Umsetzung der vereinbart­en Maßnahmen, wird die nächste Geldspritz­e für Griechenla­nd freigegebe­n werden, insgesamt stehen bis zum Auslaufen des Programms im August 2018 noch etwa 18 Milliarden Euro zur Verfügung.

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