Die Presse

Infineon sucht 1000 neue Mitarbeite­r

Standort. Der Konzern baut sein Forschungs­zentrum in Österreich um 40 Mio. Euro aus, findet aber kaum geeignete Bewerber dafür. Von Europa fordert man einen „Übernahmes­chutz“wie in den USA.

- VON MATTHIAS AUER

Villach/Wien. Anfang des Jahres lief es für den deutschen Halbleiter­konzern Infineon überhaupt nicht nach Plan: Die erhoffte Übernahme des amerikanis­chen Chipspezia­listen Wolfspeed scheiterte in allerletzt­er Sekunde. Die Chance, sich rasch in die Halbleiter­technologi­e der Zukunft einzukaufe­n, war damit dahin. Für Österreich war die missglückt­e Aktion letztlich gar nicht so schlecht. Hier darf die traditione­ll profitabel­ste Tochter des DAX-Konzerns ein regelrecht­es Investitio­nsfeuerwer­k zünden, um den Rückschlag zu verkraften.

Infineon Österreich investiert gut 40 Millionen Euro in den weiteren Ausbau des Kompetenzz­en- trums für neue Halbleiter­materialie­n. Die Standorte in Villach, Linz und Graz werden erweitert, um die Entwicklun­g neuer Produkte auf Basis der neuen, hoch effiziente­n Halbleiter aus Siliziumka­rbid und Galliumnit­rid zu forcieren. 860 neue Mitarbeite­r will das Unternehme­n bis 2020 einstellen. Dazu kommen 200 offene Stellen für Elektrotec­hniker, Informatik­er und Naturwisse­nschaftler, die Infineon Österreich schon heute vergeblich zu besetzen versucht. In den kommenden Jahren wird die 3785 Mitarbeite­r starke Österreich-Tochter also noch einmal um ein gutes Viertel aufstocken – wenn es geeignete Kandidaten gibt.

Übernahmeg­elüste aus China

Doch die zu finden, dürfte eher schwierig werden. Schon heute gebe es einen „eklatanten Fachkräfte­mangel“, klagte Vorstandsc­hefin Sabine Herlitschk­a. „Und das verschärft sich immer weiter“: Schon heute muss das Villacher Unternehme­n jeden vierten Mitarbeite­r im Ausland rekrutiere­n.

Zu wenig Arbeit wird es für sie in Zukunft auf jeden Fall nicht geben. In allen drei Kernbereic­hen – Energie, Mobilität und Sicherheit – läuft es für Infineon sehr gut. Im Mobilitäts­sektor erwartet das Unternehme­n mit selbstfahr­enden Elektroaut­os einen gewaltigen Wachstumss­chub. So sind in einem herkömmlic­hen Pkw Halbleiter (etwa für Reifendruc­ksensoren) im Wert von 355 Dollar verbaut. Bei einem Elektroaut­o verdoppelt sich dieser Wert fast auf 695 Dollar. Und selbstfahr­ende Autos brauchen bereits Elektronik­chips um 890 Dollar.

In Bilanzzahl­en gegossen liest sich die gute Entwicklun­g in Österreich so: Umsatzplus von 38 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro, Gewinnplus von elf Prozent auf 176,5 Millionen Euro. Dazu vertraut die deutsche Mutter mehr und mehr Geschäftsb­ereiche den Österreich­ern an – zuletzt übernahm Infineon Österreich etwa die Verantwort­ung für das Geschäft mit der Mikroelekt­ronik in sogenannte­r Weißware wie Waschmasch­inen oder Geschirrsp­ülern.

Neben dem Fachkräfte­mangel im Land bereiten dem Unternehme­n Chinas Übernahmeg­elüste die größten Sorgen. Europa verliere rapide Kompetenze­n bei den Schlüsselt­echnologie­n, klagt die Unternehme­nschefin. Beinahe im Wochentakt werde eine weitere Übernahme durch die asiatische Konkurrenz bekannt. Erst gestern kaufte sich etwa das chinesisch­e Staatsunte­rnehmen Tsinghua Unigroup als größter Aktionär beim deutsch-britischen Chipherste­ller Dialog Semiconduc­tor ein. Zuvor hatten die Chinesen versucht, den deutschen Konkurrent­en Aixtron zu schlucken.

USA schützen ihre Industrie

„Europa muss auf seine Schlüsselt­echnologie­n achten“, mahnt Herlitschk­a. Sie wünscht sich einen funktionie­renden „Übernahmes­chutz“auf europäisch­er Ebene. Der Kontinent brauche eine eigene Behörde, um den „strategisc­hen Blick“auf systemrele­vante Industrien in Europa zu entwickeln und notfalls einzugreif­en. „Das wünschen wir uns – neben unserem Bekenntnis zum freien Markt.“

In den USA gibt es mit dem Council on Foreign Investment in the United States (CFIUS) bereits eine derartige Stelle, die die Auswirkung­en von ausländisc­hen Investitio­nen in amerikanis­che Unternehme­n untersucht. Infineon hat mit dieser Behörde schon schlechte Erfahrunge­n gemacht. Es war CFIUS, das die Übernahme von Wolfspeed zu Jahresbegi­nn blockiert hat – aus Sorge vor dem Ausverkauf der US-Industrie an die Europäer.

wächst schneller als gedacht. In den vergangene­n fünf Jahren hat das Unternehme­n den Umsatz verdoppelt, die Mitarbeite­rzahl verdoppelt­e sich in den letzten sieben Jahren. Und das Tempo beschleuni­gt sich weiter: In den kommenden Jahren will Infineon in Österreich rund 1000 neue Mitarbeite­r im Bereich Forschung und Entwicklun­g einstellen. Die Suche nach geeigneten Kandidaten fällt dem Unternehme­n allerdings schwer. Schon heute hat Infineon große Probleme, 200 offene Stellen für Elektrotec­hniker und Informatik­er zu besetzen.

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[ Bloomberg ] Halbleiter aus Siliziumka­rbid leisten mehr und brauchen weniger Energie.

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