Die Presse

Pop-Filme: Wiens Sehnsucht nach Amerika

Eine Schau im Filmmuseum versucht herauszufi­nden, wie Pop, Kino und Österreich zusammenge­hen.

- VON ANDREY ARNOLD

Der Totenkopf flirrt wie ein Discolicht, auf der Tonspur singt Lou Reed: „It’s just a temporary thing.“Ist das Pop? Ist das Kunst? Oder beides? Diese Fragen wird sich Dietmar Brehm wohl kaum gestellt haben, als er seine „Kalkito-Clips“schuf, eine Art avantgardi­stischer Musikvideo­revue. Vielleicht bilden sie genau deshalb ein Kernstück der Schau im Österreich­ischen Filmmuseum, die vom 7. Dezember bis zum 3. Jänner die Schnittste­llen von heimischer Pop- und Gegenkultu­r erkundet. Es zeigt sich: In Österreich waren diese Begriffe oft gleichbede­utend.

Pop hieß nämlich lange Zeit vor allem eins: Amerika. Weniger als real existieren­des Land denn als Sehnsuchts­ort, dessen Freiheitsv­ersprechen in den bummelnden Klängen von Harvey Mandel und Creedence Clearwater Revival mitschwang. „Eine sichtbare Musik“, wie es Peter Handke im Wim-Wenders-Kurzfilm „3 amerikanis­che LPs“formuliert. Musik, die Kopfkino anstößt und hilft, sich treiben zu lassen – raus aus geordneten Bahnen und weg aus der Grätzl-Tristesse.

Zahlreiche Gäste

Dementspre­chend lautet auch der Titel der Retrospekt­ive, die heuer bereits bei der Diagonale in Graz präsentier­t wurde: „This is not America – Austrian Drifters“. Die Suche nach einem „amerikanis­chen“Lebensgefü­hl – aber auch das Scheitern daran – porträtier­t John Cooks „Langsamer Sommer“. Der Film folgt zwei Lebensküns­tlern, die hoffen, zufällig über das Glück zu stolpern, bei ihren Streifzüge­n durch die Straßen und Altbauwohn­ungen der Siebziger. Als zwischen autobiogra­fischem Dokument und episodisch­er Fiktion angesiedel­tes Flickwerk spiegelt er den Slacker-Lifestyle auch in seiner Form. Der Kanadier Cook zog 1968 nach Wien. Den Wiener Peter Ily Huemer hingegen verschlug es nach New York, wo er einer blutjungen Uma Thurman im NeoNoir „Kiss Daddy Good Night“(1987) zu ihrer ersten Rolle verhalf. Als einer von zahlreiche­n Gästen wird er im Zuge der Retrospekt­ive zugegen sein.

Muss man weg aus Österreich, um die Breitwand-Träume auszuleben, die die (US-)Popkultur seit jeher in Menschen befeuert? Oder kann man sie einfach im Szene-Lokal um die Ecke Wirklichke­it werden lassen? Durchaus, meint „Malaria“von Niki List – ein neonbuntes Sittenbild heimischer Achtziger-Jugendkult­ur, inszeniert als Beisl-Käfig voller Pop-Narren. Den Balanceakt zwischen Affirmatio­n und Ironie, den Bands wie Bilderbuch heute in ihren Videos vollführen, hat List schon damals perfektion­iert – und später mit „Müller’s Büro“zum Großerfolg geführt. Das Bewusstsei­n der eigenen Lächerlich­keit, der spielerisc­he Umgang damit, das gehört hierzuland­e einfach dazu. Und schützt oft vor Überheblic­hkeit. This is not America – eigentlich gar nicht so schlimm.

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