Pop-Filme: Wiens Sehnsucht nach Amerika
Eine Schau im Filmmuseum versucht herauszufinden, wie Pop, Kino und Österreich zusammengehen.
Der Totenkopf flirrt wie ein Discolicht, auf der Tonspur singt Lou Reed: „It’s just a temporary thing.“Ist das Pop? Ist das Kunst? Oder beides? Diese Fragen wird sich Dietmar Brehm wohl kaum gestellt haben, als er seine „Kalkito-Clips“schuf, eine Art avantgardistischer Musikvideorevue. Vielleicht bilden sie genau deshalb ein Kernstück der Schau im Österreichischen Filmmuseum, die vom 7. Dezember bis zum 3. Jänner die Schnittstellen von heimischer Pop- und Gegenkultur erkundet. Es zeigt sich: In Österreich waren diese Begriffe oft gleichbedeutend.
Pop hieß nämlich lange Zeit vor allem eins: Amerika. Weniger als real existierendes Land denn als Sehnsuchtsort, dessen Freiheitsversprechen in den bummelnden Klängen von Harvey Mandel und Creedence Clearwater Revival mitschwang. „Eine sichtbare Musik“, wie es Peter Handke im Wim-Wenders-Kurzfilm „3 amerikanische LPs“formuliert. Musik, die Kopfkino anstößt und hilft, sich treiben zu lassen – raus aus geordneten Bahnen und weg aus der Grätzl-Tristesse.
Zahlreiche Gäste
Dementsprechend lautet auch der Titel der Retrospektive, die heuer bereits bei der Diagonale in Graz präsentiert wurde: „This is not America – Austrian Drifters“. Die Suche nach einem „amerikanischen“Lebensgefühl – aber auch das Scheitern daran – porträtiert John Cooks „Langsamer Sommer“. Der Film folgt zwei Lebenskünstlern, die hoffen, zufällig über das Glück zu stolpern, bei ihren Streifzügen durch die Straßen und Altbauwohnungen der Siebziger. Als zwischen autobiografischem Dokument und episodischer Fiktion angesiedeltes Flickwerk spiegelt er den Slacker-Lifestyle auch in seiner Form. Der Kanadier Cook zog 1968 nach Wien. Den Wiener Peter Ily Huemer hingegen verschlug es nach New York, wo er einer blutjungen Uma Thurman im NeoNoir „Kiss Daddy Good Night“(1987) zu ihrer ersten Rolle verhalf. Als einer von zahlreichen Gästen wird er im Zuge der Retrospektive zugegen sein.
Muss man weg aus Österreich, um die Breitwand-Träume auszuleben, die die (US-)Popkultur seit jeher in Menschen befeuert? Oder kann man sie einfach im Szene-Lokal um die Ecke Wirklichkeit werden lassen? Durchaus, meint „Malaria“von Niki List – ein neonbuntes Sittenbild heimischer Achtziger-Jugendkultur, inszeniert als Beisl-Käfig voller Pop-Narren. Den Balanceakt zwischen Affirmation und Ironie, den Bands wie Bilderbuch heute in ihren Videos vollführen, hat List schon damals perfektioniert – und später mit „Müller’s Büro“zum Großerfolg geführt. Das Bewusstsein der eigenen Lächerlichkeit, der spielerische Umgang damit, das gehört hierzulande einfach dazu. Und schützt oft vor Überheblichkeit. This is not America – eigentlich gar nicht so schlimm.