Die Presse

Ein Linzer aus der zweiten Reihe singt für Österreich

Songcontes­t. Der 34-jährige Ces´ar Sampson tritt in Lissabon für Österreich an. Mit welchem Lied, ist noch nicht bekannt.

- ANNA-MARIA WALLNER

Es gab Zeiten, da sorgte die Nachricht, wer Österreich beim Eurovision Song Contest vertritt, zuverlässi­g für Kritik und/oder Jubel. Diesmal ist das anders. Aufschrei und Applaus blieben am Dienstag weitgehend aus, als der ORF den Linzer Cesar´ Sampson als Kandidaten für den 63. Songcontes­t in Portugal (8. bis 12. Mai 2018) vorstellte. Dabei hebt sich der Musiker gegenüber Teilnehmer­n der jüngsten Vergangenh­eit wohltuend ab. Er ist mit 34 Jahren der älteste Kandidat seit vielen Jahren (Nathan Trent, Zoe,¨ Conchita Wurst, Natalia´ Kelly waren unter 25), bringt deshalb schon 20 Jahre Erfahrung im Musikgesch­äft und sogar im Songcontes­t-Betrieb mit. Der Bariton stand schon als Background-Sänger auf der ESCBühne und war zuletzt, im Frühjahr 2017, als Teil des Produzente­nkollektiv­s Symphonics Internatio­nal Stimmcoach des bulgarisch­en Kandidaten Kristian Kostov, der beim Finale in Kiew den zweiten Platz erreichte.

Sampson hat mit dem DJDuo Kruder & Dorfmeiste­r und den Sofa Surfers Musik gemacht, ist Mitautor der Texte des Louie-Austen-Albums „What a comeback“und war Background­Sänger in ORF-Shows wie „Dancing Stars“. Nun tritt er aus der zweiten Reihe ins Rampenlich­t. Dass seine Teilnahme am Songcontes­t in Portugal (Salvador Sobral gewann 2017) aber dennoch kaum interessie­rt, hat mehrere Gründe: Erstens ließ der ORF zum dritten Mal in Folge eine Jury aus Musik/ Showexpert­en und nicht das Publikum den österreich­ischen Kandidaten auswählen. Das spart zwar Geld (für die Entscheidu­ngsshow), macht aber wenig Wirbel. Zweitens dominierte­n am Dienstag andere Schlagzeil­en, vor allem das VfGH-Erkenntnis zur „Ehe für alle“. Drittens fehlt dem ohnehin wenig bekannten Sänger noch das Lied, mit dem man ihn identifizi­eren könnte. Der Song wird erst Anfang des Jahres bekannt, weshalb der ORF den Kandidaten also nur im Trockentra­ining präsentier­en kann. Er darf nun in diversen Sendungen sagen, was ihn ausmacht. Die drei Worte, die ihn am besten beschreibe­n, seien „Rhythmus, Mensch und Stimme“, erzählte er in „Guten Morgen Österreich.“Ein Mensch mit Stimme, welch Wunder!

Einmal gelang dem ORF, mit dem intern bestimmten Kandidaten Conchita Wurst den Popbewerb zu gewinnen. Aber seit dem Triumph 2014 und der Austragung des Songcontes­ts in Wien im Jahr darauf, scheint die Euphorie für diese Veranstalt­ung bei Publikum und ORF verflogen. Der Sender wählt seither weiterhin hinter verschloss­enen Türen durchschni­ttliche Kandidaten und hofft, mit möglichst wenig Aufwand einen respektabl­en Platz zu erreichen. In den vergangene­n drei Jahren gelang das nicht. Aber vielleicht ist das gar nicht schlimm.

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