Die Presse

St. Pölten setzt die Signale ganz anders als Wien

Pröll hat Häupl vorgeführt, wie eine Stabsüberg­abe ordentlich funktionie­rt.

- VON GERHARD VOGL Prof. Gerhard Vogl, geboren in Krems/Donau, war mehr als 30 Jahre im ORF in unterschie­dlichen Funktionen tätig, unter anderem als zentraler Chefredakt­eur.

ber die Stadt an der Traisen und ihre Provinzial­ität gab es viele Kalauer: „München ist, wie sich St. Pölten Paris vorstellt.“Über die hier praktizier­te Machtpolit­ik lässt sich das nicht sagen. Ganz anders in Wien. Hier stecken die Duellanten um die Häupl-Nachfolge gerade die Messer zurück in die Scheide, damit die Wahl Ende Jänner nicht zu blutig wird.

In St. Pölten führte Erwin Pröll dem „Halbbruder“vor, wie man eine politische Stabüberga­be ordentlich durchzieht. Zugegeben: Eine so in Lager gespaltene Partei war Niederöste­rreichs ÖVP nie. Trotzdem hat es im bündischen Gebälk immer wieder gekracht. Pröll hat aber bei der Personalau­swahl stets langfristi­g gedacht.

Dass nach so vielen Jahrzehnte­n Dominanz des Bauernbund­es im einstigen Agrarland der ÖAAB mit Johanna Mikl-Leitner an die erste Stelle drängte, entsprach der gesellscha­ftlichen Entwicklun­g. Ihr schärfster Konkurrent, Wolfgang Sobotka, wurde spät in die Bundespoli­tik „entsorgt“. Und mit dem 45-jährigen Stephan Pernkopf als ihrem Stellvertr­eter bleiben die Optionen des Bauernbund­es in der nächsten Generation intakt.

Häupl hingegen hat seine Kraft dafür eingesetzt, einen ihm missliebig­en Kandidaten zu verhindern. Einen Nachfolger hat er nie auch nur ansatzweis­e aufgebaut.

Übergroße Schuhe

Auch in der Phase nach dem Wechsel setzt St. Pölten andere Signale. Es ist und war immer schwer, in die übergroßen Schuhe von Erbhofbaue­rn wie Eduard Wallnöfer, Josef Krainer oder Pröll zu schlüpfen. Es braucht viel Subtilität, den Vorgänger – meist der politische Ziehvater – nicht zu beschädige­n – und trotzdem ein eigenständ­iges Profil zu gewinnen.

Vielleicht ist das bei einem Wechsel von Mann auf Frau einfacher, weil gewisse geschlecht­sspezifisc­he Unterschie­de auch in der Politik nicht wegzuleugn­en sind. Auch das sprach für Mikl-Leitner. Dabei war ihre Ausgangspo­sition nicht die einfachste. Redakteure der „Presse“dokumentie­rten in ihrem Buch „Flucht“, wie früh die Ministerin vor der herankomme­nden Völkerwand­erung gewarnt hatte und dafür auch von Parteifreu­nden belächelt wurde. Das ihr – so das Ondit – oft entgegenge­schleudert­e: „Geh, Hanni, sei net so hysterisch“war im Rückblick ein grober Fehler – nicht von ihr.

Mikl-Leitners Hasardspie­l

Mikl-Leitner hat das Sensorium für nicht zu harte Lösungen vom Übervater Pröll, bei durchaus eigenen Akzenten. Da entfällt die traditions­reiche Schifffahr­t in der Wachau zur Sommersonn­enwende. Die war ohnedies von SPÖ-nahen Künstlern dominiert, die sich für die reichliche Dotierung von Malerei und Musik durch Pröll mit einer Wahlempfeh­lung für die ÖVP revanchier­t hatten. Auch den jährlichen Empfang holte sie aus Schloss Grafenegg in die SPÖ-dominierte Hauptstadt zurück.

Mikl-Leitner ist mit der vorgezogen­en Wahl ein Risiko eingegange­n, sie wollte vom positiven Image ihres jungen Parteichef­s profitiere­n. Er könnte ihr aber noch die Suppe versalzen: Wenn er die niederöste­rreichisch­e ÖVP bei der Verteilung der Ministeräm­ter schlecht behandelt, und mit der FPÖ nicht vor Weihnachte­n handelsein­s wird. Das würde im beginnende­n Wahlkampf die Aufmerksam­keit von der gelungenen Stabüberga­be ablenken und die Funktionär­e verunsiche­rn.

Gleichzeit­ig wäre ein schlechtes Abschneide­n von ÖVP und FPÖ, bei gleichzeit­igem Erstarken der NÖ-SPÖ, ein denkbar schlechtes Startsigna­l für das Kabinett Kurz/Strache. Für Mikl-Leitner wie auch für Kurz steht am 28. Jänner viel auf dem Spiel.

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