St. Pölten setzt die Signale ganz anders als Wien
Pröll hat Häupl vorgeführt, wie eine Stabsübergabe ordentlich funktioniert.
ber die Stadt an der Traisen und ihre Provinzialität gab es viele Kalauer: „München ist, wie sich St. Pölten Paris vorstellt.“Über die hier praktizierte Machtpolitik lässt sich das nicht sagen. Ganz anders in Wien. Hier stecken die Duellanten um die Häupl-Nachfolge gerade die Messer zurück in die Scheide, damit die Wahl Ende Jänner nicht zu blutig wird.
In St. Pölten führte Erwin Pröll dem „Halbbruder“vor, wie man eine politische Stabübergabe ordentlich durchzieht. Zugegeben: Eine so in Lager gespaltene Partei war Niederösterreichs ÖVP nie. Trotzdem hat es im bündischen Gebälk immer wieder gekracht. Pröll hat aber bei der Personalauswahl stets langfristig gedacht.
Dass nach so vielen Jahrzehnten Dominanz des Bauernbundes im einstigen Agrarland der ÖAAB mit Johanna Mikl-Leitner an die erste Stelle drängte, entsprach der gesellschaftlichen Entwicklung. Ihr schärfster Konkurrent, Wolfgang Sobotka, wurde spät in die Bundespolitik „entsorgt“. Und mit dem 45-jährigen Stephan Pernkopf als ihrem Stellvertreter bleiben die Optionen des Bauernbundes in der nächsten Generation intakt.
Häupl hingegen hat seine Kraft dafür eingesetzt, einen ihm missliebigen Kandidaten zu verhindern. Einen Nachfolger hat er nie auch nur ansatzweise aufgebaut.
Übergroße Schuhe
Auch in der Phase nach dem Wechsel setzt St. Pölten andere Signale. Es ist und war immer schwer, in die übergroßen Schuhe von Erbhofbauern wie Eduard Wallnöfer, Josef Krainer oder Pröll zu schlüpfen. Es braucht viel Subtilität, den Vorgänger – meist der politische Ziehvater – nicht zu beschädigen – und trotzdem ein eigenständiges Profil zu gewinnen.
Vielleicht ist das bei einem Wechsel von Mann auf Frau einfacher, weil gewisse geschlechtsspezifische Unterschiede auch in der Politik nicht wegzuleugnen sind. Auch das sprach für Mikl-Leitner. Dabei war ihre Ausgangsposition nicht die einfachste. Redakteure der „Presse“dokumentierten in ihrem Buch „Flucht“, wie früh die Ministerin vor der herankommenden Völkerwanderung gewarnt hatte und dafür auch von Parteifreunden belächelt wurde. Das ihr – so das Ondit – oft entgegengeschleuderte: „Geh, Hanni, sei net so hysterisch“war im Rückblick ein grober Fehler – nicht von ihr.
Mikl-Leitners Hasardspiel
Mikl-Leitner hat das Sensorium für nicht zu harte Lösungen vom Übervater Pröll, bei durchaus eigenen Akzenten. Da entfällt die traditionsreiche Schifffahrt in der Wachau zur Sommersonnenwende. Die war ohnedies von SPÖ-nahen Künstlern dominiert, die sich für die reichliche Dotierung von Malerei und Musik durch Pröll mit einer Wahlempfehlung für die ÖVP revanchiert hatten. Auch den jährlichen Empfang holte sie aus Schloss Grafenegg in die SPÖ-dominierte Hauptstadt zurück.
Mikl-Leitner ist mit der vorgezogenen Wahl ein Risiko eingegangen, sie wollte vom positiven Image ihres jungen Parteichefs profitieren. Er könnte ihr aber noch die Suppe versalzen: Wenn er die niederösterreichische ÖVP bei der Verteilung der Ministerämter schlecht behandelt, und mit der FPÖ nicht vor Weihnachten handelseins wird. Das würde im beginnenden Wahlkampf die Aufmerksamkeit von der gelungenen Stabübergabe ablenken und die Funktionäre verunsichern.
Gleichzeitig wäre ein schlechtes Abschneiden von ÖVP und FPÖ, bei gleichzeitigem Erstarken der NÖ-SPÖ, ein denkbar schlechtes Startsignal für das Kabinett Kurz/Strache. Für Mikl-Leitner wie auch für Kurz steht am 28. Jänner viel auf dem Spiel.