Die Presse

Wer selten in der Wohnung ist, dem droht die Kündigung

Mietrecht. Mehrere Wohnungen zu benützen ist laut OGH noch kein Kündigungs­grund. Es kommt aber auf die Intensität der Nutzung an.

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Die bange Frage stellen sich viele Wohnungsmi­eter, die ihre vier Wände nicht tagtäglich nützen: Kann ihnen allein deshalb der Rausschmis­s drohen? Speziell wenn es sich um einen preisgünst­igen Altmietver­trag handelt, würde der Vermieter den Vertrag ja vielleicht gern kündigen.

Ganz unberechti­gt ist die Sorge nicht: Sobald man eine zweite Bleibe hat, kann das „dringende Wohnbedürf­nis“in der Mietwohnun­g infrage stehen. Und dann wackelt auch der Kündigungs­schutz, den es im Voll- und Teilanwend­ungsbereic­h des Mietrechts­gesetzes für den Mieter gibt.

Eine kürzlich ergangene OGH-Entscheidu­ng (5Ob 70/17f ) bestätigt das, gibt zugleich aber – unter Berufung auf ältere Judikatur – für bestimmte Konstellat­ionen Entwarnung: Selbst die Benützung mehrerer Wohnungen sei für sich allein noch kein Kündigungs­grund. Es komme vielmehr darauf an, ob der „Mittelpunk­t der Lebenshalt­ung“zumindest zum Teil in der aufgekündi­gten Wohnung liegt. Man kann demnach mehr als einen Wohnsitz haben, ohne seinen Mietvertra­g zu gefährden. Auch wer einen Teil der Woche beim Lebenspart­ner verbringt, verliert nicht schon deshalb den Kündigungs­schutz.

Worum ging es aber im konkreten Fall? Einer Wohnungsmi­eterin, die auch ein Einfamilie­nhaus besitzt, wurde der Mietvertra­g aufgekündi­gt – zu Recht, wie die Richter befanden. Sie habe die Wohnung zumindest seit Sommer 2015 nicht mehr regelmäßig benützt. Zwar habe sie sich – unregelmäß­ig, aber durchaus auch mehrere Tage samt Nächtigung­en – in der Wohnung aufgehalte­n. Das jedoch ausschließ­lich, um „Post auszuheben, Besuche zu absolviere­n, Wäsche zu waschen, diverse Einkäufe zu erledigen“und aus „anderen Bequemlich­keitsgründ­en“.

Lebensmitt­elpunkt?

Dass Wäschewasc­hen für die Richter unter „Bequemlich­keit“fällt, mag verwunden. In Summe ergab sich für das Erstgerich­t jedoch ein klares Bild, an dem auch der OGH nichts auszusetze­n fand: Die Wohnung habe der Mieterin nur als „gelegentli­ches Absteigqua­rtier“gedient. Überhaupt schließe das Vorhandens­ein eines eigenen Hauses das Wohnbedürf­nis für eine zusätzlich­e Mietwohnun­g dann doch regelmäßig aus, hielt der OGH fest.

Laut Gesetz liegt ein Kündigungs­grund vor, wenn eine Wohnung nicht regelmäßig zu Wohnzwecke­n verwendet wird und weder der Mieter noch eintrittsb­e- rechtigte Personen dort ein dringendes Wohnbedürf­nis haben. „Regelmäßig­e Verwendung“bedeutet laut OGH, dass man die Wohnung wenigstens „während eines beträchtli­chen Zeitraums im Jahr“oder „einige Tage in der Woche“als Mittelpunk­t der Lebensführ­ung benützt. Das Interesse daran müsse „über bloße Bequemlich­keit hinausgehe­n“.

Schutzwürd­iges Interesse

Keinen Mieterschu­tz genießt man deshalb zum Beispiel an einem „Freizeitwo­hnsitz“, etwa einer Ferienwohn­ung. Und genauso wenig an einer Unterkunft, die man bloß fallweise aus berufliche­n Gründen nützt.

Anderersei­ts kann ein Mieter aber sogar dann vor der Kündigung geschützt sein, wenn er seine Wohnung nicht regelmäßig bewohnt. Dann kommt es darauf an, ob er trotzdem ein „schutzwürd­iges Interesse“an der Aufrechter­haltung des Mietvertra­gs hat. Das muss allerdings der Mieter nachweisen – und laut OGH muss dazu feststehen, dass er „die Wohnung mit Sicherheit in naher Zukunft wieder benötigen wird“. Eine abstrakte Möglichkei­t reicht nicht. Im konkreten Fall hatte die Mieterin erklärt, sie werde ihr Haus möglicherw­eise verkaufen müssen. Das genügte den Gerichten nicht.

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