Die Presse

Martin Schulz will nur reden

Deutschlan­d. Die SPD-Basis wählte ihren Parteichef wieder und gab grünes Licht für ergebnisof­fene Gespräche mit der Union. Ein Etappensie­g auf dem Weg zur GroKo, aber nicht mehr.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. Jetzt ist Pause beim Parteitag. Jessica von den Jusos holt sich ein Bier. Sie macht ein langes Gesicht. Die SPD-Delegierte­n im Berliner CityCube haben dem Parteivors­tand zuvor grünes Licht für ergebnisof­fene Gespräche mit der Union gegeben. Eine Große Koalition (GroKo) ist nun nicht mehr ausgeschlo­ssen. Am Mittwoch gibt es das erste Treffen der SPD–Führung mit der Unionsspit­ze.

„Eine krachende Niederlage“, sagt Jessica. Sie steht am JusosStand. An der Wand hinter ihr kleben Zettel, auf denen die jungen GroKo-Gegner notiert haben, warum ein drittes Bündnis mit Angela Merkel keinesfall­s infrage komme. Die SPD stünde dann „bei sieben Prozent“, ist da zu lesen. Oder: „Versproche­n ist versproche­n“. Eine Anspielung auf Martin Schulz’ am Wahlabend unter größtmögli­chem Beifall getätigte Ankündigun­g, die SPD in die Opposition zu führen.

Denn die Sozialdemo­kratie ist in der Krise. Dass sie sich – Wort der Stunde – „erneuern“muss, bestreitet bei dem Parteitag niemand. Aber geht das in einer GroKo? „Nein“, sagt Jusos-Chef Kevin Kühnert, der mit Verve gegen SchwarzRot anredet. Er sei es leid, die SPD immer wieder „gegen die Wand laufen zu sehen“. Die Wand ist die GroKo. Merkel sei für den Zustand der SPD „nicht zuständig“, findet dagegen SPD-Chef Schulz. Am Ende heben überrasche­nd viele der 600 Delegierte­n ihr Stimmkärtc­hen für den Leitantrag der SPDSpitze, Gespräche zu führen.

Doch die große Zustimmung täuscht. Die Stimmung im Saal ist seltsam. Für die GroKo brennt hier kaum jemand. Und der Parteivor- stand musste zuvor in der fünfstündi­gen Debatte alle Register ziehen.

Einer nach dem anderen hämmerte den Mitglieder­n ein, dass die Gespräche „ergebnisof­fen“geführt werden. SPD-Chef Martin Schulz gab „eine Garantie“ab, dass alle Optionen wie Neuwahlen, Minderheit­sregierung oder GroKo „gleichwert­ig“sondiert werden. Mancher hier hegt nämlich die Befürchtun­g, dass das mit dem „ergebnisof­fen“genauso wenig gilt wie das inzwischen abgeräumte Nein zur Groko. Die SPD-Spitze machte den Skeptikern daher noch ein Zugeständn­is: Schon über die Aufnahme möglicher Koalitions­verhandlun­gen soll nun ein Parteitag entscheide­n.

Schulz sitzt fest im Sattel

Alles in allem lief es gut für Schulz. Er hat den Antrag durchgebra­cht und wurde als Parteichef bestätigt – mit 81,9 Prozent. Das ist zwar deutlich weniger als die 100 Prozent, die ihn im März gewählt haben, aber mehr, als ihm viele zugetraut haben – und deutlich mehr, als sein Rivale Olaf Scholz als SPD-Vize bekommen hat. Der angebliche Kronprinz wurde mit 58,9 Prozent abgestraft.

Schulz hatte sich zuvor für die Wahlpleite entschuldi­gt und die Seele der Genossen in einer langen Rede gestreiche­lt. Dabei zeigte sich aber auch, dass der SPD größere Projekte fehlen, mit denen sie den Mitglieder­n, die über einen Koalitions­vertrag abstimmen, die GroKo versüßen könnte. 2013 hatte Gabriel den Mindestloh­n. Diesmal gibt es viel Klein-Klein. Vielleicht schlug Schulz auch deshalb die Gründung der Vereinigte­n Staaten von Europa vor – allerdings für das Jahr 2025.

Draußen läuft eine junge Genossin auf Jessica zu. „Kopf hoch“, sagt sie. „Der Kampf (gegen die GroKo; Anm.) ist noch nicht vorbei.“

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[ APA ] SPD-Chef Martin Schulz warb beim Parteitag erfolgreic­h für Gespräche mit der Union: „Wir müssen nicht um jeden Preis regieren, aber wir dürfen auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen.“

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