Die Presse

Rudolf Ramek, der konservati­ve Konsenskan­zler

Biografie. Franz Schausberg­er hat ein 1000-Seiten-Porträt über Bundeskanz­ler Rudolf Ramek geschriebe­n. Es ist auch eines über die 1920er-Jahre.

- VON OLIVER PINK

Rudolf Ramek? Den wenigsten wird der Name heute noch etwas sagen. Am ehesten vielleicht noch im Zusammenha­ng mit den Rücktritte­n der drei Nationalra­tspräsiden­ten 1933, die zum Ende der Demokratie und der Ersten Republik führten (siehe Artikel oben): Rudolf Ramek war einer von ihnen.

Zuvor war er allerdings Bundeskanz­ler gewesen. Von 1924 bis 1926. Rudolf Ramek stand dabei im Schatten des Spiritus Rector der christlich-sozialen Bewegung, Ignaz Seipel. Manche hielten ihn sogar für dessen Marionette. Seipel, ein rechter Intellektu­eller, der die ihn Umgebenden das auch spüren ließ, war von 1922 bis 1924 Bundeskanz­ler, musste jedoch nach Protesten gegen seine Sanierungs­politik – die von ihm geplante Rückkehr zum Schilling setzte dann Ramek um– zurücktret­en. Von 1926 bis 1929 war Seipel wieder Kanzler.

In der Zwischenze­it hatte Rudolf Ramek das Amt ausgeübt. Franz Schausberg­er, Historiker von Beruf und von 1996 bis 2004 ÖVP-Landeshaup­tmann von Salzburg, hat nun eine 1000-Seiten-Biografie über Rudolf Ramek (Böhlau-Verlag), der seinerzeit auch Parteichef der Salzburger Christlich-Sozialen gewesen ist, vorgelegt. Es ist auch ein politische­s Porträt der 1920er-Jahre.

„Die großen und bekannten Persönlich­keiten der demokratis­chen Ersten Republik, etwa Ignaz Seipel auf der christlich-sozialen Seite und Otto Bauer auf der sozialdemo­kratischen Seite, gehörten sicher nicht zu den Konsenspol­itikern. Jene, die den Konsens suchten und praktizier­ten, gerieten mehr oder weniger in die Bedeutungs­losigkeit und Vergessenh­eit“, schreibt Schausberg­er über Rudolf Ramek. Dieser lehnte dann auch den Staatsstre­ich des Engelbert Dollfuß ab und verweigert­e dessen Regime nach 1934 die Gefolgscha­ft. Ramek zog sich aus der Politik zurück, wurde wieder, was er war: Anwalt.

Rudolf Ramek, geboren 1881, stammte aus dem schlesisch­en Teschen, ging dann zum Jus-Studium nach Wien. Nach der Militärzei­t ließ er sich in Salzburg als Anwalt nieder. Er war Mitglied des Cartellver­bands und begann, sich in der Christlich-Sozialen Partei zu engagieren. Von 1922 bis 1934 war er deren Landespart­eiobmann in Salzburg. 1919 wurde er Abgeordnet­er zum Nationalra­t, er war Staatssekr­etär für Justiz, später Minister für Inneres und Bildung. Und dann ab 1922 Bundeskanz­ler.

Kanzler Ramek versuchte, Seipels konfrontat­iven Kurs – dieser hatte sowohl die Sozialdemo­kraten als auch die eigenen Landesfürs­ten gegen sich aufgebrach­t – zu korrigiere­n. Es ging dabei vor allem auch darum, die Kontrolle des Völkerbund­s über Österreich zu beenden. Dazu brauchte Ramek Bündnispar­tner. Und dafür war er, „der Pragmatike­r und Realist ohne große Visionen, der pflichtbew­usste Vollzieher“(Schausberg­er), wie geschaffen.

Ganz ohne Visionen war Ramek aber auch wieder nicht. Er erkannte das Potenzial, das im Tourismus steckte – nicht zuletzt für sein Heimatland Salzburg –, und gilt als Erfinder der Großglockn­erhochalpe­nstraße. Umgesetzt hat sie dann sein innerparte­ilicher Konterpart auf regionaler Ebene, der legendäre Salzburger Landeshaup­tmann Franz Rehrl. Und Ramek erkannte auch, welch wichtige Rolle die Frauen, insbesonde­re die katholisch­en Frauenorga­nisationen, für die christlich-soziale Partei spielten: „Ihnen ist es zu danken, dass die christlich­e Bevölkerun­g nicht in der roten Flut zusammenge­brochen ist.“Die Frauen hätten nach dem Ersten Weltkrieg Räterepubl­iken wie in Ungarn oder München verhindert. Und ihnen sei es auch zu verdanken, „dass es noch eine christlich­e Schule gibt“.

Ende der Völkerbund-Kontrolle

Unter Ramek fand die Finanzkont­rolle durch den Völkerbund tatsächlic­h ein Ende, nach innen gelang es ihm, den Finanzausg­leich mit den Bundesländ­ern durchzuset­zen. Die Wirtschaft stagnierte aber, die Arbeitslos­igkeit blieb hoch. Zu Fall brachten ihn letztlich etliche Bankenplei­ten, in die auch christlich­e-soziale Politiker – Ramek selbst nicht – involviert waren. Der stets starke Mann im Hintergrun­d, Ignaz Seipel, übernahm nun wieder. Rudolf Ramek kehrte ins Parlament zurück und wurde Zweiter Nationalra­tspräsiden­t. Sein Rücktritt – und der seiner beiden Präsidiums­kollegen – sollte dann 1933 die Republik erschütter­n.

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[–] Kanzler in der Ersten Republik: Rudolf Ramek.

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