Das MuTh – wo die Musik flügge wird
Das MuTh – der Konzertsaal der Wiener Sängerknaben feiert als Wiens jüngster Konzertsaal seinen fünften Geburtstag, ist aber schon ganz „erwachsen“.
Wien. Fünf Jahre ist Wiens jüngster Konzertsaal alt. Und schon ist er großjährig. Die Wiener Musikfreunde haben die neue Spielstätte am Augartenspitz sofort akzeptiert. Auch wenn es vorab einige Widrigkeiten zu bestehen galt. „Die Idee zu dem Saal“, erinnert sich Elke Hesse, die Direktorin des MuTh, „gab es ja schon, lang bevor er 2012 eröffnet wurde. Allein die Planungsphase dauerte sechs Jahre, und es gab heftige Proteste, die sich nicht nur gegen die Verbauung des Augartens, sondern sogar gegen die Institution der Wiener Sängerknaben gerichtet haben: Wieso, hieß es, sollen die einen eigenen Saal geschenkt bekommen?“
Da schwang ein altes Missverständnis mit, der traditionsreiche Chor sei ja „hoch subventioniert“. Dazu Elke Hesse: „In Wahrheit ist es ein gemeinnütziger Verein, der sich durch Tourneen und Einnahmen erhält. Aber ich verstehe, wo das falsche Bild herkommt. Die Öffentlichkeit ist lang nicht genügend informiert worden, und es ist das falsche Bild entstanden, der Chor sei eine staatliche Institution.“
Früher einmal stimmte das. Doch nach dem Zerfall der Monarchie mussten sich die Kaiserlichen Kapellknaben selbstständig machen. Und da es die kaiserliche Uniform nicht mehr gab, aber jedes zweite Kind anno 1918 privat einen Matrosenanzug besaß, wurde dieser zur Uniform. Niemand Geringerer als Mickey-Mouse-Erfinder Walt Disney ist dafür verantwortlich, dass auf diesem Matrosenanzug das österreichische Wappen prangen darf: Er drehte einen Film mit den singenden Buben und war so begeistert, dass er den damaligen Bundespräsidenten überzeugte: Solch sympathische musikalische Botschafter sollten zumindest ideelle Unterstützung bekommen. Gesagt, getan, man singt seither „bewappnet“.
Für die Finanzierung aber muss der private Verein sorgen, ein Ansatz, der Peter Pühringer gut gefallen hat. „Er ist ja immer fürs Unternehmerische“, sagt Elke Hesse und freut sich, dass der Mäzen jedes einzelne Mitglied der Sängerknaben „als kleinen Unternehmer“betrachtet. So kam die Idee des Konzertsaals ins Rollen. 16 Millionen hat der Bau gekostet. Pühringer stellt die Finanzierung bereit, das MuTh für die nächsten 65 Jahre zu erhalten, bevor es „in neuwertigem Zustand“in Bundesbesitz übergeht. Subventioniert wird bei den Sängerknaben lediglich die Schule, wie alle anderen Schulen im Land. Nicht zuletzt die Veranstaltungen im MuTh, das dann selbst Gegner unter den Anrainern letztlich für ein gelungenes Projekt hielten, ließen das Bild der Sängerknaben in neuem Licht erscheinen.
Dem Haus Leben einhauchen
Und überdies freut sich Wien, einen Veranstaltungsort zu haben, der schon von seinem Urauftrag her jugendlich determiniert ist. Frisch und unverkrampft geht man hier mit dem klassischen Erbe um. Der Nachwuchs wird gefördert und – was das Wichtigste ist: Er wird mit Profis konfrontiert. Im MuTh konzertieren nicht nur Sängerknaben und Studenten, sondern auch Mitglieder der Wiener Philharmoniker. Dieser Spagat ist von Anfang an gelungen – und holte Publikum von jenseits des Donaukanals in den zweiten Bezirk. „Der Schritt“, sagt Elke Hesse, „schien vielen viel größer, als er tatsächlich ist. Das MuTh ist verkehrstechnisch sehr gut angebunden und vom Zentrum aus in kürzester Zeit zu erreichen.
Die „Frau Direktor“, die mit ihrem Programm 60 Prozent der nötigen Summe selbst erwirtschaften muss, hat schon die Vorbereitungsphase genossen: „Es war un- heimlich spannend. Man hat ja selten die Chance, ein Haus quasi kreieren zu können, ihm Leben einzuhauchen. Die Frage ist ja: Wo positioniere ich mich in einer Stadt wie Wien, in der es so viele kulturelle Einrichtungen gibt?“
Die Abläufe, die im MuTh vorauszuplanen sind, stellen das Team denn auch vor immer neue Herausforderungen. Jeden Tag wechselt das Programm, Eigenveranstaltungen stehen neben Einmietungen – „das sind produktionstechnisch, marketingtech- nisch, bühnentechnisch immer neue Aspekte. Da bin ich meinem Team dankbar, dass alle von Anfang an kräftig mitgezogen haben.“
So konnte man schon zum Einstand das Unmöglich möglich machen. Elke Hesse sagt lachend: „Ich weiß noch genau, als ich im November, eine Woche vor der Eröffnung, eine Pressekonferenz auf der Bühne abgehalten habe: Und alle Journalisten haben gesehen, dass der Zuschauerraum überhaupt noch nicht fertig war. Wahrscheinlich haben sich alle gedacht: ,Diese Frau spinnt.‘“Tatsächlich waren sämtliche Trupps am 8. Dezember fertig, „um 23.52 Uhr, um genau zu sein“, sagt sie. Am 9. Dezember dirigierte Franz Welser-Möst die Wiener Philharmoniker, und man sang Joseph Haydns „Te Deum“. „Danach, als alle Ehrengäste draußen waren, habe ich durchgeatmet, die Leute standen am kältesten Tag des Jahres Schlange, um das neue Haus zu besichtigen. Sogar zwei der Aktivisten standen vor der Tür, und ich sagte: ,So kommt doch rein, und schaut es euch um.‘ Einer kam tatsächlich und meinte nur: ,Großartig.‘ Dem anderen blieb der Mund offen stehen.“
Gemeinsames Musizieren
Mittlerweile ist keiner mehr „dagegen“, im Saal geben sich junge Musiker und Prominente die Klinke in die Hand – oder musizieren miteinander. Es gibt Schulvorstellungen mit den Sängerknaben, und selbst die Veranstalter staunen, wie offen und unverbildet Jugendliche auf die musikalische Moderne reagieren: Als Karlheinz Stockhausens „Harlekin“aufgeführt wurde, gingen die jungen Besucher begeistert mit – „da waren eher die Erwachsenen verstört“, erinnert sich Elke Hesse.