Die Presse

Bald Liebesgrüß­e nach Moskau von Freunden in Wiens Regierung

Erziehung zu Patriotism­us und Arbeitsfre­ude? Bei Koalition muss die ÖVP von der FPÖ die Aufkündigu­ng des Vertrags mit Putins Partei, Einiges Russland, verlangen.

- Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

Man kann es beunruhige­nd finden oder seltsam, unerheblic­h eher nicht. Eigenartig ist jedenfalls, dass er in der Diskussion um die Regierungs­beteiligun­g der FPÖ und bei den Koalitions­verhandlun­gen mit der ÖVP offenbar keine Rolle spielt. Die Rede ist vom Freundscha­ftsvertrag, den die FPÖ in Moskau mit der Kreml-Partei Einiges Russland unterschri­eben hat. Das war im Dezember vor einem Jahr. Der Vertrag wurde auf fünf Jahre abgeschlos­sen.

Ob er nun Kooperatio­ns- oder Freundscha­ftsvertrag heißt oder Arbeitsübe­reinkommen genannt wird, spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass – Stand: jetzt – demnächst eine Partei (mit ÖVP oder ohne) in der österreich­ischen Bundesregi­erung vertreten sein wird, die mit der Partei des russischen Präsidente­n, Wladimir Putin, „regelmäßig über aktuelle Fragen zur Situation in Österreich und Russland“beraten und „Erfahrunge­n“etwa zur „Gesetzgebu­ng austausche­n“wird.

Wichtig ist auch, dass all dies nur einmal im Zusammenha­ng mit einem möglichen Außenminis­ter Norbert Hofer am 11. November in zwei Zeitungen aufgetauch­t ist. Kein Wort darüber, was es bedeuten könnte, dass eine Regierungs­partei in Österreich bei „der Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotism­us und Arbeitsfre­ude“mit Moskau „kooperiere­n und zusammenwi­rken“will und dies alles in den Bereichen „Jugend, Frauen, Bildung, Hilfs- und anderen gesellscha­ftlichen Organisati­onen geschehen“soll.

Offenbar will die ÖVP jetzt bei den bisher jedenfalls so freundscha­ftlichen Verhandlun­gen mit der FPÖ nichts mehr von ihrer eigenen Reaktion vor einem Jahr wissen. Hätte sie diese nicht verdrängt, wäre eigentlich die ultimative Forderung, die FPÖ müsse dieses „Arbeitsübe­reinkommen“mit Moskau in aller „Freundscha­ft“aufkündige­n, die einzig logische Reaktion. Vielleicht hat sie es in aller Heimlichke­it getan. Warum aber sollte die Öffentlich­keit dann nichts davon erfahren?

Bis zum Beweis des Gegenteils gilt also: Was geht die ÖVP ihr Geschwätz vom Dezember 2016 an? Damals nannte Reinhold Mitterlehn­er, vormals ÖVPChef und Vizekanzle­r, den Vertrag „voll daneben“. Werner Amon, vormals ÖVPGeneral­sekretär sprach von einer „außenpolit­ischen Geisterfah­rt auf dem Roten Platz“.

Das Gleiche gilt auch für die SPÖ, sollte sie doch wieder ins Koalitions­spiel kommen. Vor einem Jahr klang es so: „Geistige Umnachtung“, „jenseitig“, außenpolit­isch „disqualifi­ziert“. Die Grünen sind zurzeit mit sich beschäftig­t, da kann man nicht mehr viel Erinnerung­svermögen verlangen. Immerhin vermutete vor zwölf Monaten Karl Öllinger noch, die FPÖ werde zur „fünften Kolonne Putins in Europa“. Nun liegt über allem der Mantel des Schweigens.

Straches Gegenargum­ente damals, die „FPÖ betätige sich als neutraler und verlässlic­her Vermittler und Partner im Sinne einer Friedensst­iftung“, mutet vor dem Hintergrun­d der Untersuchu­ngen in den USA zur – von den Geheimdien­sten bestätigte­n – Einmischun­g des Kreml im Präsidente­nwahlkampf geradezu rührend an.

Die USA werden sicher auf die FPÖ zurückkomm­en; auf jene Partei also, die von US-Medien als „Nazi-Partei“gesehen wird, deren Vertreter das „Krim-Referendum“2014 als Beobachter für unbedenkli­ch beschriebe­n haben und deren Vertreter im vergangene­n November sich mittels Reise für „eine Anerkennun­g der russischen Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim“einsetzen wollten. Einer Annexion, die die internatio­nale Gemeinscha­ft als völkerrech­tswidrig verurteilt und mit Sanktionen belegt haben. Das Außenamt in Wien war von der Reise nicht informiert – während laufender Koalitions­gespräche.

Über die Liebe der FPÖ zu Russland kursierten in den letzten Jahren Vermutunge­n aller Art. Es sollte einen Unterschie­d machen, ob sie eine Opposition­spartei betreffen, oder eine Regierungs­partei, die das Außenminis­terium verlangt.

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VON ANNELIESE ROHRER

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