Wie bilden sich die vielen Formen von Schneekristallen?
Die Basis ist ein Sechseck. Welche Strukturen rundherum wachsen und wie schnell, hängt von der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit ab.
Für Schnee braucht es erstens kalte Temperaturen, zweitens hohe Luftfeuchtigkeit und drittens sogenannte Kristallisationskeime, etwa in der Luft schwebende Staubteilchen, an denen er wachsen kann. So fasst Bernhard Hynek von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) die wichtigsten „Zutaten“von Schnee zusammen. Ohne Kristallisationskeime bräuchten die Wassermoleküle nämlich Temperaturen von minus 40 Grad Celsius und kälter oder fünffach mit Feuchtigkeit übersättigte Luft, um zu Kristallen zu werden.
So entsteht auch Industrieschnee, der sich durch Emissionen von Wasserdampf und Staubpartikel durch Industrieanlagen bilden kann. Allerdings ist dieser durch den Einfluss des Menschen entstandene Schnee weit feiner als jener aus der Natur: Er kommt aus deutlich geringeren Höhen, die Eiskristalle haben nicht die Zeit, sich voll auszubilden. Denn ihre vielfältigen Formen erhalten Kristalle, wenn sie durch die verschiedenen Schichten der Atmosphäre fallen. „Ihre Form ändert sich dauernd durch das unterschiedliche Zusammenspiel von Temperatur und Luftfeuchtigkeit“, sagt Hynek. So durchlebt jeder Kristall andere Wachstumsphasen.
Vom Plättchen bis zur Nadel
Die Eisstrukturen wachsen dabei in einem gewissen Winkelspiel: Die Verzweigungen umschließen jeweils exakt 60 oder 120 Grad. Dieser symmetrische Aufbau ist der besonderen Struktur von Wassermolekülen und ihrer Ladungsverteilung geschuldet. „Die Moleküle sind regelmäßig, aber weniger dicht aneinandergepackt als bei Wasser. Das ist auch der Grund, warum Eis leichter ist und auf Wasser schwimmt“, erklärt Hynek.
Die Temperatur entscheidet, welche Ebene des sechseckigen Prismas schneller wächst und damit, ob eher zylinderartige Strukturen wie Säulen oder Nadeln entstehen oder Plättchen. Je höher die Luftfeuchtigkeit ist, desto schneller und verzweigter wächst der Kristall. „Er hat dann nicht die Zeit, eine Eiskristallstruktur ohne Lufteinschlüsse zu bilden, weil sich die Wassermoleküle dort anlagern, wo sie als erstes hingelangen. So wachsen aus den Ecken des Sechsecks Arme, und es entstehen die typischen Schneekristalle in Sternform“, erklärt Hynek. Nahe dem Gefrierpunkt passiert es oft, dass winzige Wolkentröpfchen am Kristall festfrieren. Wenn diese Kügelchen die ursprüngliche Kristallstruktur ganz überdecken, spricht man von Graupel. Im Gegensatz zu Graupel und allen anderen Formen des Schnees fehlen beim Hagel Lufteinschlüsse völlig.
In seiner Forschung befasst sich der Glaziologe vor allem mit Schnee und Eis, die bereits am Boden liegen. Er untersucht, wie sich Gletscher in Österreich und auch Grönland verändern. „Man möchte meinen, dass in den Alpen der Schneefall im Winter zählt. Entscheidend ist aber, ob es im Sommer noch einmal weit hinunterschneit“, sagt er. Der helle Schnee reflektiert nämlich die Sonnenstrahlen, während das dunkle Eis diese eher absorbiert. Die Schneedecke schützt so den darunterliegenden Gletscher.
Der größte Gletscher Österreichs, die von der Zamg regelmäßig vermessene Pasterze am Großglockner, verlor allerdings zuletzt in nur einem Jahr im Mittel zwei Meter an Eisdicke. Ihre markante Gletscherzunge dürfte wohl in den nächsten 40 Jahren ganz verschwinden, so Hynek.