Die Stadt als Spielraum höfischen Zeremoniells
Historische Raumforschung. Die Habsburger zeigten sich zu bestimmten Anlässen dem Volk und inszenierten dazu ein Volksfest – mit Grillstation und Weinbrunnen. Zugleich dokumentierten sie mit diesem Aufwand ihre Macht.
Der Festzug anlässlich der Krönung zum böhmischen König war bei jedem Habsburger bis ins Detail festgelegt. Zuerst ging es durch die Prager Altstadt, dann durch die Neustadt und schließlich über die Moldau hinauf zum Hradschin. Die ungarische Stephanskrone wurde wiederum in der Krönungsstadt Pressburg zeremoniell verliehen. Der Habsburgerregent ritt nach dem Hochamt im vollen Galopp zur Königsburg hinauf und hieb vor Tausenden Gästen mit dem Schwert in die vier Himmelsrichtungen. In Wien wurde bei der Rückkehr von der Kaiserkrönung in Frankfurt am Main ein prunkvoller Einzug in die Stadt inszeniert.
Die Repräsentationsstrategien sind Teil eines vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts, bei dem die visuelle Kultur der Habsburger in den Städten der Monarchie von Ferdinand I. bis Josef I. (1526 – 1711) erforscht wird. Der Kunsthistoriker Herbert Karner von der Abteilung Kunstgeschichte an der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) spricht von einer „historischen Raumforschung“: „Der öffentliche Raum definiert sich hier über die soziologische Wahrnehmung, über das Beziehungsnetz verschiedener Akteure.“Sie hat den öffentlichen Raum im Fokus, der mit seinen Repräsentanten bestimmte Botschaften vermittelt.
Die imposantesten Darstellungen sind die Einzüge der Landesregenten zu Anlässen wie einer Krönungszeremonie, der Beginn einer Regentschaft und damit verbunden die Erbhuldigung der Stände. Der Zug mit Reiterkohorten, prunkvollen Kutschen und bewaffneten Begleitern zu Fuß umfasste mehrere Hundert Personen: Die Vertreter der oberen drei Stände – des Herrscherhofes mit dem oberen Adel, dem Herrenstand und Ritterstand (Adel) sowie dem Prälatenstand (Geistlichkeit) – waren in einer genau festgelegten Abfolge angeordnet.
Der Bürgerstand nahm gerade mit den Vertretern des Stadtmagistrats teil. In Wien eignete sich für die Repräsentationen der heutige Graben, wo auch Künstler in Kupferstichen und Radierungen die Zeremonie festhielten. Dabei zeigten sie den Festzug in einer Schlangenlinie, um all die Abordnungen auf einem Blatt abbilden zu können.
Triumphbögen und Kutschen
Bei mehreren Festzügen wurde der Stadtraum durch die Aufstellung von Triumphbögen auch architektonisch inszeniert. Wie die Projektmitarbeiterin Veronika Decker festhält, hat die Kosten für diese Festgerüste im 16. Jahrhundert der Magistrat der Stadt Wien übernommen, später leisteten andere städtische Gruppen ihren Beitrag, etwa die in den Quellen verzeichneten „hofbefreiten Handwerker“oder die „fremden Niederleger“(ausländische Händler).
Diese Gruppen wollten sich damit das Wohlwollen des Hofes sichern. Nicht nur das prunkvolle Gepränge der Kutschen und Reiter faszinierte die Bevölkerung, auch die Veranstalter inszenierten im Barock Attraktionen für die Menschenmenge. So flossen bei mehreren Anlässen aus Brunnen Weißund Rotwein, Grillstationen versorgten gratis die Schaulustigen, und manchmal wurden von den Festgerüsten Backwaren geworfen. „Bei den Krönungsfeiern in Pressburg hat man eigens geprägte Goldmünzen in die Menge geworfen“, sagt Herbert Karner. Der Festzug wurde zum Volksfest.
Die Habsburger nutzten den öffentlichen Raum, um Glanz und Größe zu zeigen. Ihre Kirchgänge zu auserwählten Messen und die imposant gestalteten Festzüge waren nach Repräsentationsstrategien ausgerichtet.
In ihren Residenzen und auserwählten Städten wollten die Regenten mit ihrem Auftreten auch ihre Macht symbolisch festigen. Ein Seminar der Akademien der Wissenschaften von Österreich und Tschechien widmete sich diese Woche in Prag dem Thema.