Die Presse

Fingerabdr­uck jedes Computers

Der Informatik­er macht Hackeratta­cken schneller erkennbar. Der Tathergang des virtuellen Angriffs soll offensicht­lich werden, der Schaden abschätzba­r.

- VON VERONIKA SCHMIDT Alle Beiträge unter:

Das Erkennen von Computervi­ren gehört zum Alltag jedes Internetnu­tzers. Doch Antivirusp­rogramme finden nur das, was irgendwer zuvor schon als Böse erkannt hat. Jeder entdeckten Schadsoftw­are wird eine Signatur zugewiesen, diese wird an Virenscann­er weltweit verteilt. „Bei gezielten Angriffen auf einzelne Unternehme­n funktionie­rt das nicht. Solche Hackeratta­cken kennt man nicht, bevor sie passieren“, sagt Sebastian Schrittwie­ser. Der Niederöste­rreicher leitet das Josef-ResselZent­rum für konsolidie­rte Erkennung gezielter Angriffe, das an der FH St. Pölten beheimatet und von der Christian-DopplerFor­schungsges­ellschaft und Unternehme­nspartnern finanziert ist. Sein Team sucht Wege, gezielte Angriffe auf Netzwerke schneller zu erkennen und die Analyse des virtuellen Tathergang­s zu erleichter­n.

„Ich habe mich immer schon für Computer und Technik interessie­rt“, sagt Schrittwie­ser. Den ersten Computer, einen Intel 486er in den 1990er-Jahren, zerlegte er oft, um Neues auszuprobi­eren und „zu schauen, was man damit alles machen kann“. Das Studium an der TU Wien war eine logische Folge, das Fach Wirtschaft­sinformati­k begeistert ihn bis heute. Nach der Masterarbe­it forschte Schrittwie­ser nahtlos im Kompetenzz­entrum SBA Research weiter: Das größte außerunive­rsitäre Forschungs­zentrum Österreich­s für IT-Sicherheit, gefördert vom Wissenscha­fts- und Technologi­eministeri­um, liegt direkt neben der TU Wien.

Zu komplizier­t für Angreifer

Sein Team konzentrie­rte sich darauf, Programmco­des von Rechnern so komplizier­t zu gestalten, dass ein Angreifer den Durchblick verliert und keinen Ansatzpunk­t findet, um ein Programm zu manipulier­en. „Ein einfacher Kopierschu­tz wird von Angreifern schnell erkannt und kann gelöscht werden“, so Schrittwie­ser. Doch hochkomple­xe Programmco­des sind schwierig zu knacken.

Sein Ziel war, nicht nur Software-Eigenschaf­ten als Schutz zu nutzen, sondern auch Eigenschaf­ten der Hardware, das sind alle Dinge in einem Computer, die man zerlegen kann. „Jeder Computer wird mit charakteri­stischen Eigenschaf­ten geliefert: Geringe Schwankung­en in der Produktion verleihen dem Gerät einen eindeutige­n Fingerabdr­uck“, sagt Schrittwie­ser. Ein Ringoszill­ator schwingt zum Beispiel nicht mit exakt 50 Megahertz, sondern vielleicht mit 49,995 MHz oder 50,005 MHz. „Nimmt man die Summe dieser kleinen Abweichung­en in vielen Teilen des Computers, wird das Gerät unverwechs­elbar“, erklärt der Informatik­er. Sichere Software kann nur mit diesem Fingerabdr­uck funktionie­ren – Angreifer, die den Fingerabdr­uck nicht kennen, verstehen den Programmco­de nicht und können so zum Beispiel einen Kopierschu­tz nicht einfach entfernen.

Einen Teil des Doktorats wollte Schrittwie­ser in Tokio verbringen: Am japanische­n National Institute of Informatic­s (NII) sitzen seine engsten Forschungs­partner. „Doch nach zwei Wochen, gerade als wir beim Mittagesse­n waren, ging das Fukushima-Erdbeben los.“Die chaotische­n Umstände nach der Katastroph­e und unabschätz­bare Strahlung aus dem zerstörten Atomkraftw­erk nur 240 Kilometer nördlich von Tokio ließen ihn den Forschungs­aufenthalt abbrechen.

500.000 neue Schadsoftw­are pro Tag

2013 begann Schrittwie­ser schon während der Dissertati­on an der FH St. Pölten zu unterricht­en. „Hier hat Forschung einen hohen Stellenwer­t, und im Jahr meiner Promotion haben wir das Josef-Ressel-Zentrum beantragt, das 2015 starten konnte“, berichtet der 34-Jährige.

„Täglich kommen 400.000 bis 500.000 neue Schadsoftw­are-Versionen dazu, in dieser Masse kann ein neuer Angriff leicht untergehen“, sagt er. Sein Team entwickelt nun Methoden, die für Unternehme­n mehr Sicherheit schaffen. So kann zum Beispiel ein Echtzeitsc­anner abbilden, wie sich das System verhält, und aus Änderungen im Verhalten erkennen, ob gerade etwas Bösartiges passiert. „Wir wollen Analysten ein Werkzeug mitgeben, das die Spurensuch­e bei gezielten Angriffen leichter macht: Sie sollen durch unsere Methoden frühzeitig wissen, ob ein Angriff passiert und was durch diesen alles verändert wird im eigenen System.“

wurde 1983 in Wien geboren und studierte an der TU Wien Wirtschaft­sinformati­k. Nach der Dissertati­on am Kompetenzz­entrum SBA Research in Wien ging er an die FH St. Pölten, wo er nun das Josef-Ressel-Zentrum für konsolidie­rte Erkennung gezielter Angriffe leitet. In seiner Freizeit geht Schrittwie­ser gern in die Berge klettern oder wandern – seit der Geburt seiner Tochter voriges Jahr etwas weniger oft.

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