Die Presse

Bobbys Gewalt- und Sexfantasi­en

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QMit Bobby, dem Kind einer Heroinsüch­tigen, der früh eine von roher Gewalt bestimmte, kriminelle Karriere macht, wird der soziale Konterpart eingeführt. (Schon klar, dass Weiner sich im Milieu der Wohlhabend­en besser auskennt als in der Lebenswelt des Underdogs.) Im Zuge von Bauarbeite­n im Haus der Luxuswohnu­ng der Breakstone­s wirft Bobby, der einzige weiße Arbeiter des Trupps, ein Auge auf die herangewac­hsene Heather und entwickelt aberwitzig­e, die sozial bedingte Realität in ihr Gegenteil verkehrend­e Fantasien voll Sex und Gewalt.

Heather ihrerseits reflektier­t sehr wohl die privilegie­rte Lebenssitu­ation ihrer Familie: „Der Postleitza­hlbereich, in dem sie wohnten, stand auf Platz eins der reichsten des Landes, aber ihr Vater produziert­e nichts, ihre Mutter tat nichts, außerdem verbraucht­en sie zu viel, warfen sie zu viel weg, und, das Schlimmste, es war ihnen egal. Ihre Eltern waren keine schlechten Menschen, sie lebten aber in der selbstgere­chten, irrigen Annahme, sie hätten verdient, was sie besaßen.“

Mark, im ehelichen Konkurrenz­kampf um Heathers Gunst inzwischen zu deren überbesorg­ter Glucke mutiert, malt sich in Angstvisio­nen die große Gefahr aus, die von Bobby für seine Tochter ausgehen könnte. Und so mündet der Roman schließlic­h eines Mittags – ja, es ist tatsächlic­h High Noon – in einen klassische­n Showdown zwischen Upperclass und Outcast, dessen Ausgang samt bitterer Pointe hier natürlich nicht verraten werden darf.

Matthew Weiner hat mit seinem Kurzroman die Gesellscha­ft im Visier – und in seiner entschlack­ten, pointierte­n Prosa erweist sich nahezu jeder Satz als Volltreffe­r. Großartig!

Matthew Weiner Alles über Heather Roman. Aus dem Englischen von Bernhard Robben. 144 S., geb., € 16,50 (Rowohlt Verlag, Reinbek)

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