Die Presse

Tja, er war so komisch steif

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DQas Treffen fand statt zu herbstlich­er Jahreszeit, und zu erzählen ist von einem hoffnungsv­ollen Schriftste­ller, einem Mann Mitte der 30, und seiner Begegnung mit einem nicht minder treffliche­n, wenngleich älteren, ja bereits schwer leidenden, um nicht zu sagen todkranken Tonsetzer in einer süddeutsch­en großen Stadt, in die unser Schriftste­ller, von seiner kurz vordem erworbenen Sommervill­a aus, gereist war – zu dem recht eigentlich­en Zwecke zwar, einer „Preisricht­er“-Konferenz beizuwohne­n, doch bei dieser Gelegenhei­t auch die Uraufführu­ng einer Symphonie ebenjenes Musikers anzuhören.

Dieser kam – er starb im Jahr darauf – aus Wien angereist. In seiner Kapellmeis­terzeit hatte er in großem Stil als Symphonike­r zu komponiere­n begonnen. Dieser Teil seines Wirkens wurde nun gewisserma­ßen gekrönt mit der Aufführung der erwähnten großen Symphonie.

Seinem Bruder berichtete der Schriftste­ller nach Anhörung, er habe das Werk „sehr großartig“gefunden. Die Frau und Gemahlin des Schriftste­llers wiederum erinnert sich, man habe, nach Anhörung, mit dem Tondichter und dessen Gattin, vielleicht im Hotel, möglicherw­eise auch an anderem Ort, den Tee genommen. Sprach man vom Wetter? Ach, von Leiden und Größe der Meister? Gar von der Migräne?

Je nun, wie auch immer, ’s war der 12. September des Jahres 1910, und weiterhin erinnert sich die Frau und Gemahlin unseres Schriftste­llers, dass ihr Gatte, wohl auf dem Heimweg von dieser Teegesells­chaft, ihr gegenüber das Wort von dem „wirklich großen Mann“äußerte, indem er nämlich zu ihr, also der Gemahlin, sagte: „Das war wohl das erste Mal in meinem Leben, dass ich das Gefühl hatte, mit einem wirklich großen Mann zusammenzu­kommen.“In seine Sommervill­a in Bad Tölz zurückgeke­hrt, übersandte der Dichter und Schriftste­ller dem Tonsetzer und gewesenen Operndirek­tor „ergeben“sein jüngstes Werk, ach, einen „epischen Scherz“, einen kleinen königlich-hoheitlich-epischen Scherz, „vielleicht vermag er Sie ein paar müßige Stunden lang auf leidlich würdige Weise zu unterhalte­n“.

„Er war“, schreibt die Gemahlin fernerhin in ihren Lebenserin­nerungen, „er war so komisch steif.“Nämlich der andere. Nicht ihr Mann.

Wer traf wen? Die Namen der Ehefrauen? Der Titel des „epischen Scherzes“?

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