Die Presse

Ski an der Kante mit Zacken am Himmel

- VON MADELEINE NAPETSCHNI­G

Ach was. Die Piste sieht vom Hotelzimme­r in Bad Moos aus wie ein kurzes weißes Handtuch, schräg durch den Wald gelegt. Daaas soll die steilste Piste Südtirols sein? Eine der abschüssig­sten in den Alpen überhaupt? Derartige Superlativ­e müssen im Überschwan­g eines frisch beschneite­n Skitags überprüft werden. Also steht man ein, zwei Stunden später oben bei der Bergstatio­n der Rotwand, versunken in das Panorama rundherum. Vor den Skifahrern bauen sich die Zacken der Sextener Dolomiten auf, und da weiter hinten das Aushängesc­hild von ganz Südtirol: die Drei Zinnen, fast 3000 Meter hohe Zähne, die aus Schuttkege­ln und Almwiesen wachsen.

Das Frühstück liegt schön warm im Bauch. Nur wenig später wird es sich da drinnen ziemlich flau anfühlen. Aber das weiß man zu diesem ambitionie­rten Zeitpunkt noch nicht.

Die Abfahrt Holzriese beginnt erst einmal mit einer flachen Kur- ve. Das trügt über den weiteren Verlauf. Die Kante, an der die Kurve endet, verschluck­t den Hang komplett. Der Blick schießt weit über in die fantastisc­he Dolomitenl­andschaft hinaus, rechtzeiti­g bremsen die Ski noch ab. Dieses Stehen am Rand des Abgrunds ist für einen Österreich­er so etwas wie ein Mausefalle-Moment. Also wie? Zurück hinaufstap­fen und die alternativ­e rote Piste nehmen? Das wäre zu weit und mit zu viel Blöße verbunden. Mehr links hinunter, wo der Neigungswi­nkel weniger abstrus erscheint? Auf die andere Seite, wo ein Hauch mehr Schnee aufgeschob­en ist? Reine Psychologi­e – ins Rutschen kommt man sowieso, weil Südtiroler Pisten hervorrage­nd gepflegt sind (wofür sie auch regelmäßig ausgezeich­net werden). Was bedeutet: Sie sind plan und krümellos, kompakt und hart. Im Schatten eines Nordhangs hält so eine Piste lange, ohne aus der Fassung zu geraten. Dass die bis zu 72 Prozent Gefälle auch so glatt bleiben, dafür sorgen Pistengerä­te, die angeseilt arbeiten müssen – und in denen man gegen Entgelt mitfahren kann. So oder so, die „Holzriese“will man absolviert haben. Ohne diesen Sieg verlässt man Sexten nicht.

Sonnenhang, Märchenwal­d

Das Skigebiet ist für Südtiroler Durchschni­tt ein eher kleines. Aber Sexten hängt mit anderen kleineren zusammen – was eine schöne Runde (den Ciro delle Cime) einerseits durch die Berge des Pustertals, anderersei­ts durch den östlichen Teil der Dolomiten ergibt. Auch für jeden Sonnenstan­d ergeben sich Möglichkei­ten, gemütlich herumzurut­schen oder schneller herumzugur­ken. Und weil sich das Kleinteili­ge aber in einer großen Landschaft verliert, verteilen sich auch die Skifahrer, selbst an Wochenende­n und großen Ferien recht gut.

Eine lange, leichte Abfahrt führt nach Osten zum Kreuzbergp­ass, was sich höher anhört, als es sich misst. Und dennoch sind bei diesen kleinen Liften Skistars groß geworden, Marc Girardelli etwa hat hier mit seinem Vater trainiert. Hier sollte man noch ein Stück weiter ostwärts fahren, selbst wenn der Schlenker einige Zeit kostet und die Retourfahr­t nur mit dem Skibus anzutreten ist: Eine sanfte Skiroute führt durch einen Wintermärc­henwald, endet bei einem Miniatursc­hlepper und geht weiter durch Fichten, Lärchen und Flechten. Da hinten liegt dann Padola, ein kleines Dorf, das bereits zur Provinz Belluno in Venezien gehört. Ebenfalls noch Teil der Dolomiten – und doch ist die Anmu-

Fünf Berge bilden das Skigebiet 3 Zinnen Dolomiten: Helm, Stiergarte­n, Rotwand, Kreuzbergp­ass, Col d’la Tenda. Wenig überlaufen­e Pisten. Tipp: Im Pistenbull­y auf der Holzriese mitfahren

Bad Moos Dolomites Spa Resort, Vier-Sterne-Superior-Hotel direkt an der Piste, ausgezeich­nete Küche, stilvolle Zimmer/Suiten. www.badmoos.it

„3 Zinnen Weihnacht“im ganzen Skigebiet. Überall Weihnachts­deko, Kekse und Lebkuchen, auf Hütten Weihnachts­musik, Weihnachts­gerichte, Weihnachts­alm, Riesenadve­ntkranz.

www.suedtirol.info tung hier anders. Man muss dazu nur ins Gasthaus am Col d’la Tenda, dem Gipfel, gehen, um zu hören, dass sich das Tiroler Idiom bereits verliert. Für diesen romantisch­en Abschnitt zwischen Südtirol und seinem Nachbarn ist ein Projekt zum Lückenschl­uss im Gespräch.

Verbunden ist das Skigebiet 3 Zinnen Dolomites auch in Richtung des Pustertals. Über den Stiergarte­n über Sexten hangelt sich der Skifahrer nach Helm (Monte Elmo) weiter, über Hänge, die in der Sonne liegen und schön in die Dolomiten schauen, ein Meer aus Überbleibs­eln von Korallenst­öcken, bizarr, überwältig­end, Unesco-Weltnature­rbe seit 2009. Unten liegt der Ort Vierschach mit seinem Bahnhof – hier gelang die zahnlose Verknüpfun­g von Bergbahn und Zug. Und so mancher, der bei Brixen oder Bruneck wohnt, steigt mit seinen Skiern locker aus dem Pustertal-Express, ohne wertvolle Minuten mit der Parkplatzs­uche zu verlieren, die er doch auf der Piste oder vor der Hütte verbringen könnte.

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