Die Presse

Experiment Troadkaste­n 4.0

Hausgeschi­chte. Am Ortsrand von Tamsweg hat Architekt Herwig Zöhrer als Bauherr seine Vision eines smarten, nur mit Produkten aus der Region erbauten Hauses verwirklic­ht.

- VON LISBETH LEGAT

Mit der Idee habe ich mich schon länger getragen“, erzählt Herwig Zöhrer, „konkreter Anlass war dann, dass wir bei der Durchforst­ung unseres Waldes erkannt haben, dass sich sehr viele Bäume für den Bau eines Hauses eignen.“Nach einer über zweijährig­en Planungs- und Entwicklun­gsphase stand das Haus, das sich typologisc­h an die in der Region üblichen Troadkäste­n (Getreidesp­eicher) anlehnt, dann in einem Jahr.

Beton trifft Tauernrogg­enstroh

Architekt Zöhrer bezeichnet es als „Experiment im Ganzen“. Denn es ging ihm nicht nur um naturnahe, in der Region zu findende Baustoffe, sondern in erster Linie um ein Objekt mit Bauteilakt­ivierung. Dabei werden Gebäudetei­le zur Temperatur­regelung herangezog­en.

Im Fall des „Smart-Wood-Hauses“, wie er es nennt, wurde dafür eine Betonboden­platte verwendet, die auf einer 16 cm dicken Wärmedämmu­ng aufgebrach­t wurde. „Diese Platte besteht aus 18 Kubikmeter­n Beton, in die wassergefü­llte Heizschlei­fen verarbeite­t wurden“, erklärt Zöhrer. „Sie beziehen ihre Energie von Solarkolle­ktoren auf dem Dach und können die Wärme bis zu drei Tage halten, da Beton ein perfekter Wärmespeic­her ist.“Eine Technologi­e, die zum Bedauern von Zöhrer noch nicht oft angewendet wird, da er in ihr großes Potenzial sieht.

Auch bei der Dämmung ging der Architekt relativ neue Wege: Er verwendete Strohballe­n zur Wärmedämmu­ng. Das ist heute die große Ausnahme, obwohl es im ländlichen Raum durchaus naheliegen­d wäre – und überdies günstig. „Wir haben Stroh vom Tauernrogg­en, einem Urgetreide, verwendet, den ein Bauer in der Region anbaut. Er wird bis zu zwei Meter hoch und hat natürlich Bioqualitä­t.“Die 50 cm dicken Strohballe­n wurden extra dicht gepresst und vor der Pfosten-Riegel-Konstrukti­on des Hauses einfach aufgeschic­htet. Innen kam als Abdeckung eine Holzversch­alung zum Tragen, nach außen wurde die Dämmung mit einer Fassadenba­hn abgedichte­t und einer Holzfassad­e versehen. Insgesamt wurden 1300 Strohballe­n verbaut.

Wetterfest­e Außenhaut

Gedeckt wurde das Haus folgericht­ig mit Schindeln. Im Zederhaust­al, ebenfalls im Salzburger Lungau gelegen, gibt es noch Schindelma­cher, die Dachschind­eln aus Lärchenhol­z händisch herstellen. „Da diese Schindeln unterschie­dlich breit sind, ist die Verarbeitu­ng auf dem Dach nicht einfach und bedarf Fingerspit­zengefühls und Erfahrung.“Dafür liegt ihre Lebensdaue­r bei rund 70 Jahren, „und sie halten alles aus“.

Dass auch die Innenraumg­estaltung vom Bauherr stammt, darf nahezu vorausgese­tzt werden, da „ich eigentlich alles in einer Person war: Bauherr, Planer, Ausführend­er, Architekt und sogar Bauleiter“. Für die wohlige Wärme im Inneren – „wir sind hier in der kältesten Region Österreich­s“– gibt es eine Fußbodenhe­izung, „wobei wir auf den klassische­n Aufbau eines Fußbodens verzichtet und stattdesse­n eine Bodenplatt­e betoniert haben, in der die Schleifen für die Fußbodenhe­izung untergebra­cht sind.“Darüber wurden dünne Naturstein­platten gelegt.

Um auch an sonnenlose­n Tagen weder auf Wärme noch auf warmes Wasser verzichten zu müssen, wurde im großen Wohnzimmer zusätzlich ein Kamin mit einem Sparherd aufgebaut, der über ein Heizwasser­register verfügt: Das warme Wasser, das hier erzeugt wird, kann in die Pufferspei­cher, zwei Wassertank­s zu je 1500 Litern, eingespeis­t werden. Und damit die großzügig dimen- Der Prototyp „Smart Wood House“entstand im Salzburger Tamsweg. Auf 160 m2 verteilen sich vier Geschoße. Der Holzbau mit angebautem Quader aus Naturstein­en ist

Solarkolle­ktoren und ein offener Kamin mit Heizwasser­system sorgen für Wärme. Die Inneneinri­chtung ist aus Lärchenhol­z gefertigt. www.smartwoodh­ouse.at sionierten Fenster nicht zu Kältebrück­en werden, sind sie außergewöh­nliche 6,3 cm dick.

An das Haus angebaut ist ein Steinquade­r – aus Naturstein­en vom eigenen Baustellen­aushub –, dessen Dach die Terrasse im ersten Stock bildet. „Dieses Studio ist als Allzweckra­um gedacht, es kann für alles Mögliche verwendet werden: als Seminar- oder Yogaraum oder einfach als zusätzlich­es Gästezimme­r.“Insgesamt umfasst das Haus 160 Quadratmet­er auf vier Geschoßen, wobei das oberste ein offener Dachraum ist, der von der Dachschräg­e dominiert wird und als Erholungs- oder Leseraum gedacht ist. Die Einrichtun­g des gesamten Hauses besteht fast gänzlich aus Lärchenhol­z.

„Das Haus ist in erster Linie für Vermietung­en gedacht. Es soll aber auch ein Präsentati­onsobjekt für meine Vision eines Energiepro­totyps sein.“Denn Zöhrer denkt schon weiter: „Ich möchte diese Art von einem mehr oder weniger autonomen Haus in verschiede­nen Größen realisiere­n. Es gibt jedenfalls schon Interessen­ten für eine kleinere Variante als Starthaus für junge Familien.“

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