Damit die Chemie auch beim Wohnen stimmt
Raumluft. Ihre Qualität ist entscheidend dafür, wie wohl wir uns in den eigenen vier Wänden fühlen. Tipps, wie man sie verbessern kann.
Rund 90 Prozent der Lebenszeit verbringen wir in Innenräumen. Allerdings atmen viele von uns in ihren Wohnungen alles andere als gesunde Luft. Innenraumuntersuchungen haben ergeben, dass hier manchmal dickere Luft herrscht als auf stark befahrenen Straßen.
Hanns Moshammer, Leiter der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin an der Med-Uni Wien, bestätigt: „Laut WHO ist schlechte Luft der wichtigste Umweltfaktor für Krankheiten und vorzeitige Todesfälle. Ungefähr die Hälfte der Krankheitslast beruht auf Innenraumluft und der klassischen Außenluftverschmutzung.“Der Mediziner betont zwar, dass die krankmachende Innenraumluft vor allem Dritte-Welt-Länder mit schlechten Heiz- und Kochgelegenheiten betrifft, aber auch bei uns sei die Innenluft belastet: „etwa mit Tabakrauch oder Schimmelpilzsporen“. Allergiker können zudem unter Tierhaaren und Pollen leiden.
Achtung, Radon
Der Standort der Wohnung ist für die Luftgüte ebenfalls nicht unerheblich. Abgesehen von dicht befahrenen Verkehrswegen sind vor allem radonbelastete Gebiete ein Thema. „Zahlreiche Gebäude befinden sich in Radonrisikogebieten, und es ist davon auszugehen, dass die Radonkonzentrationen in vielen Innenräumen zu hoch ist“, meint Moshammer. „Es wird geschätzt, dass einige Prozent der Lungenkrebsfälle auf Radon zurückzuführen sind.“Regelmäßiges Lüften und bauliche Maßnahmen können die Belastung erheblich senken. Eine Onlinekarte des Umweltministeriums zeigt, welche Orte wie stark betroffen sind und in welchen Fällen Messungen empfohlen werden.
Natürlich sind auch Bauart und Ausrichtung der Wohnung entscheidend. Grundsätzlich gewährleisten die Faktoren Sonnenlicht, angenehme Raumtemperaturen und genügend Frischluft einen hohen Wohnkomfort. Peter Tappler, zertifizierter Sachverständiger von IBO Innenraumanalytik, erklärt: „Angenehme, ausgeglichene Raumtemperaturen werden durch eine gute Wärmedämmung der Gebäudehülle erreicht.“Moderne, energiesparende Gebäude sind da im Vorteil. „Bei Neubauten sorgt die Passivhaustechnologie mit bedarfsgeregelter Komfortlüftung unsichtbar für gesunde und hochwertige Raumluftqualität. In der Sanierung sind ebenfalls die Lüftung und der Einsatz geprüfter Baustoffe und Materialien der Innenausstattung zentral für gute Raumluft.“Zudem gibt es Baumaterialien, die sich positiv auf die Raumluft auswirken. Anorganische Baustoffe wie Ziegel, Kalk oder Gipsputze und Betonsteine begünstigen das Raumklima, weil sie die Fähigkeit besitzen, Schad-
Beim Bauen, Ausmalen und Einrichten auf die Art des verwendeten Materials und seine Behandlung/Verarbeitung achten. Naturstoffe wie Holz, Ziegel, Betonstein oder Stein geben nicht nur keine belastenden Stoffe ab, ökologische Dämmstoffe und Wandfarben wie Kalk und Gips können auch Schadstoffe aufnehmen. stoffe und Dampf aufzunehmen. So mancher technologische Fortschritt verlangt vom Bewohner Verhaltensänderungen. Etwa moderne Fenster und Türen, die stark abdichten. Das spart Energie, verhindert aber den Luftaustausch und kann eine erhöhte Schadstoffkonzentrationen, Geruchsbelästigungen und Schimmelbildung hervorrufen. „Gerade in Räumen, in denen sich viele Menschen aufhalten, wie Schulklassen oder Großraumbüros, reduziert dies nachweislich die geistige Leistungsfähigkeit“, gibt Moshammer zu bedenken. Regelmäßigem Lüften kommt erhöhte Bedeutsamkeit zu.
Messen und einordnen
Damit der Laie Schadstoffquellen in den eigenen vier Wänden leichter aufspüren und Gegenmaßnah- men treffen kann, hat das Umweltministerium (BMLFUW) erst kürzlich die Broschüre „Wegweiser für eine gesunde Raumluft“veröffentlicht – erstellt vom Arbeitskreis „Innenraumluft“in Zusammenarbeit mit der Kommission für Reinhaltung der Luft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Tappler leitet den Arbeitskreis. Er warnt vor Do-it-yourself Schadstoffmessungen, weil dabei viele Belastungen nicht erkannt oder normale Situationen als „belastet“eingestuft werden. „Am besten wendet man sich an Innenraumklimatologen, Umweltmediziner oder Allergieambulatorien, die Erfahrung mit Schadstoffen in Innenräumen haben“, rät er.
Dabei ist nicht nur die Messung von Bedeutung, sondern auch die Auswertung. Tappler: „Entscheidend ist eine fachgerechte Interpretation der Ergebnisse. Es muss dargelegt werden, welche Wichtigkeit den einzelnen Faktoren zukommt und welche Einflüsse für die Gesundheit und Leistung eine geringere Rolle spielen.“Erst eine Gesamtschau aller Faktoren zeige, ob man mit der Qualität der Raumluft zufrieden sein kann. Von der Messung bis zur schriftlichen Auswertung oder Beratung dauert es je nach Schadstoff- und Aufgabenstellung zwischen einem Tag und vier Wochen. „Wenn in bestimmten Räumen Beschwerden, untypische Gerüche oder gar Schimmelbefall auftritt, ist eine Begutachtung dieser Räume durch Experten empfehlenswert“, stellt Tappler fest. (scherl)